Vom Christbaum zur Ringstraße
Neues Buch zeigt das evangelische Wien
Wien (epd Ö) – Evangelische Prominentenbiografien und ihre Bedeutung für die Geschichte Wiens stehen im Mittelpunkt des neuen Buches „Vom Christbaum zur Ringstraße“, das am Dienstag, 28. Oktober, im Wiener Albert Schweitzer Haus präsentiert wurde. In dem reich bebilderten Band porträtieren die Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit der Diözese A.B. Wien, Pfarrerin Monika Salzer, und der langjährige Wiener Pfarrer und frühere reformierte Landessuperintendent Peter Karner Personen, die nach dem Toleranzpatent 1781 und zunehmend dann im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts Wien, seine Kultur und Wirtschaft entscheidend mitgestaltet haben.
Der Weltstar Oskar Werner war ebenso evangelisch wie Theodor von Billroth und Ernst Wilhelm von Brücke, Begründer der Physiologie in Wien und Lehrer von Sigmund Freud. Der Philosoph Ludwig Wittgenstein wäre nicht ohne seinen evangelischen Vater Karl Wittgenstein zu denken, der als Stahlmagnat der Habsburgermonarchie die österreichische Industrie nachhaltig entwickelt hat. Sein protestantischer Bruder Louis verwaltete sein Geld und gründete Sozialprojekte für Kinder. Die Salons von Alma Mahler-Werfel, Ottilie von Goethe, Grete Wiesenthal und jene der Familien Gerold, Fries und Geymüller gaben Wien wichtige Impulse. Bewundert wurden die Heroinen der Burg wie Charlotte Wolter, Adele Sandrock und Hedwig Bleibtreu, bekämpft die Frauenrechtlerinnen Marie Lang und Iduna Laube.
Universität, Burgtheater und Prater
„Das weltberühmte Neujahrskonzert findet in einem der schönsten Konzertsäle der Welt statt – erbaut vom evangelischen Ringstraßenarchitekten Theophil von Hansen, der Wien ebenso maßgeblich geprägt hat wie sein ebenfalls evangelischer Schüler Otto Wagner“, erzählte Monika Salzer bei der Vorstellung des Buches. Neben der Sammlung all dieser Biografien aus den verschiedensten Bereichen beschäftigt sich das AutorInnenduo mit Themen wie der evangelischen Identität und den jüdischen Konvertiten, bietet zusätzlich ein umfangreiches Namensverzeichnis und zeigt beispielhaft, wie ausgeprägt der Anteil der Protestanten vor allem rund um das Wiener Burgtheater, den Prater und die Universität war.
Gerade in diesen drei Bereichen musste man, um beruflichen Erfolg zu haben, nicht verwurzelt sein, sagte der Direktor des Wien Museums, Wolfgang Kos, bei der Präsentation. Im Buch fänden sich viele Namen, „die in die Herzgegend des typisch Wienerischen gehören“. Das Buch sei geschrieben worden, „damit es keine weitere Gegenreformation durch Vergessen gibt“, meinte die Autorin Monika Salzer. Es sei ein „evangelisch-patriotisches Buch“, befand Peter Karner. Man könne „stolz sein, dass evangelische Menschen hier Außerordentliches geleistet“ hätten.
Die „prägende Kraft des Evangeliums“ drücke sich in Einzelpersönlichkeiten aus, sagte der lutherische Bischof Michael Bünker. Die Säkularität sei wesentliches Kennzeichen protestantischer Spiritualität, das Adjektiv „evangelisch“ stehe für hohe Kompetenz in den jeweiligen Bereichen. Das Buch betrete „weithin unbekanntes Land“, meinte der Bischof, vielleicht brauche es neben den positiven Überraschungen auch eine „Ergänzung der dunklen Protestanten“.
Die Verbindung zwischen Calvinismus und Kapitalismus – „ein Vorurteil, das wir abbauen wollen“ – finde in diesem Buch neue Nahrung, sagte der reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld. Gleichzeitig werde jedoch auch die starke soziale Verantwortung der evangelischen Unternehmerfamilien deutlich. Diese soziale Verantwortung sei „nicht ein Bereich, sondern Nagelprobe evangelisch-reformierter Identität“, betonte der Landessuperintendent im Gespräch mit dem ORF-Journalisten Udo Bachmair.
Der Wiener Superintendent Hansjörg Lein hofft, dass dieses Buch die eigene evangelische Identität stärkt: „Aus der Erinnerung lässt sich Kraft schöpfen.“ Freiheit, das Fundament der Heiligen Schrift, die hohe Stellung der Bildung und das Engagement der Kirche für die Welt sind für den Wiener Superintendenten zentrale Eckpfeiler evangelischer Identität.
(Monika Salzer, Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 240 Seiten, 150 Abbildungen, gebunden mit Schutzumschlag, ISBN 978-3-85452-636-0; 29,90 Euro)
http://www.monikasalzer.at/wcms/ftp//m/monikasalzer.at/uploads/buchbeschreibung.pdf
Neuzeit
Von 1521 datiert ein Eintrag in einem Rechnungsbuch der Humanistenbibliothek in Schlettstadt: „Item IIII schillinge dem foerster die meyen an sanct Thomas tag zu hieten.“ (Neuhochdeutsche Übersetzung: „Ebenso vier Schillinge dem Förster, damit er ab dem St.-Thomastag die Bäume bewacht.“) Von den Schwarzhäuptern in Riga und Reval wurden in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gegen Ende der Weihnachtszeit Tannenbäume auf den Markt getragen, geschmückt und zum Schluss verbrannt.
Die älteste schriftliche Erwähnung eines Weihnachtsbaums wird ins Jahr 1527 datiert. Zu lesen ist in einer Akte der Mainzer Herrscher von „die weiennacht baum“ im Hübnerwald in Stockstadt am Main.
Von 1539 gibt es wieder einen urkundlichen Beleg, dass im Straßburger Münster ein Weihnachtsbaum aufgestellt wurde. Die Zünfte und Vereine waren es schließlich, die ein immergrünes Bäumchen in die Zunfthäuser stellten.
In einer Lohnabrechnung der Reichsstadt Gengenbach von 1576 wird erwähnt, dass der Förster „ime Strohbach“ einen „Wiehnachtsbaum uf die Ratsstuben“ gebracht habe.
Die ersten Aufzeichnungen über den Christbaum als einen allgemein üblichen Gebrauch stammen aus dem Jahre 1605, wiederum aus dem Elsass: „Auff Weihnachten richtet man Dannenbäume zu Straßburg in den Stuben auf. Daran henket man Roßen auß vielfarbigem Papier geschnitten, Aepfel, Oblaten, Zischgold [dünne, geformte Flitterplättchen aus Metall] und Zucker“. 1611 schmückte Herzogin Dorothea Sibylle von Schlesien den ersten Weihnachtsbaum mit Kerzen.
Auch die nächste Nachricht über den Weihnachtsbaum stammt aus Straßburg. In einer zwischen 1642 und 1646 verfassten Schrift ereiferte sich der Prediger am Münster Johann Conrad Dannhauer gegen den Brauch, in den Häusern Weihnachtsbäume aufzustellen: „Unter anderen Lappalien, damit man die alte Weihnachtszeit oft mehr als mit Gottes Wort begehet, ist auch der Weihnachts- oder Tannenbaum, den man zu Hause aufrichtet, denselben mit Puppen und Zucker behängt, und ihn hernach abschüttelt und abblühen (abräumen) lässt. Wo die Gewohnheit herkommt, weiß ich nicht; ist ein Kinderspiel“.
Popularisierung des Brauchs seit dem 18. Jahrhundert
Seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts werden die Nachrichten über den Weihnachtsbaum dann häufiger. Johann Heinrich Jung-Stilling, 1740 im Nassauischen geboren, scheint eine Erinnerung an seine Kindheit zu bringen, wenn er in seinem 1793 veröffentlichten Das Heimweh von dem hell erleuchtenden Lebensbaum mit vergoldeten Nüssen, zu dem das Kind am Morgen des Christtages geführt wird, spricht.
Von Johann Wolfgang von Goethe stammt eine der ersten Erwähnungen des Weihnachtsbaums in der deutschen Literatur. In dem Briefroman Die Leiden des jungen Werthers (1774) besucht der Protagonist am Sonntag vor Weihnachten die von ihm verehrte Lotte und spricht von den Zeiten, da einen die unerwartete Öffnung der Türe und die Erscheinung eines „aufgeputzten Baumes“ mit Wachslichtern, Zuckerwerk und Äpfeln in paradiesisches Entzücken versetzte. Friedrich Schiller hat in seinen Werken zwar keine Weihnachtsszene geschildert, aber er liebte das Fest unter dem Baum. 1789 schrieb er an Lotte, dass er zu Weihnachten nach Weimar komme, und meinte: „Ihr werdet mir hoffentlich einen grünen Baum im Zimmer aufrichten.“ Im Jahre 1805 wurde der Weihnachtsbaum einem großen Leserkreis dadurch bekannt, dass ihn Johann Peter Hebel in dem Lied Die Mutter am Christabend aus seinen Alemannischen Gedichten erwähnte. Am Vorweihnachtsabend 1815 stellte in Weimar Wilhelm Hoffmann für arme Kinder den weltweit ersten öffentlichen geschmückten Weihnachtsbaum auf. E. T. A. Hoffmanns Märchen Nussknacker und Mausekönig aus dem Jahre 1816 ist das erste Berliner Literaturdenkmal, in dem der lichterglänzende, mit goldenen Äpfeln und Bonbons geschmückte Tannenbaum in der Mitte der Weihnachtsbescherung erscheint.
Da Tannenbäume in Mitteleuropa selten waren, konnten sich diese zunächst nur die begüterten Schichten leisten, und die Stadtbevölkerung musste mit Zweigen und anfallendem Grün auskommen. Erst als ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vermehrt Tannen- und Fichtenwälder angelegt wurden, konnte der städtische Bedarf gedeckt werden.
Als in evangelischen Kreisen der Christbaum ins Brauchtum übernommen wurde, trat der Christbaum seinen Siegeszug an. Obwohl die katholische Kirche lange Zeit der Weihnachtskrippe den größeren Symbolgehalt zugemessen hatte, übernahm sie mit der Zeit auch den Brauch, einen Weihnachtsbaum aufzustellen. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ist der Weihnachtsbaum auch in den katholischen Regionen Deutschlands und Österreichs bezeugt. Der erste Weihnachtsbaum in Wien wurde 1814 von Fanny von Arnstein, einer aus Berlin stammenden angesehenen jüdischen Gesellschaftsdame, aufgestellt in deren Haus auch Vertreter des Hochadels ein und aus gingen. Bereits 1816, anderen Quellen zufolge 1823 in der Albertina, wurde diese Tradition von Henriette von Nassau-Weilburg, der Gattin Erzherzog Karls, aufgegriffen und breitete sich von da an in allen Gesellschaftsschichten Österreichs aus.
1815 verbot die niederösterreichische Landesregierung „das Abstämmeln und Ausgraben der Bäume zum Behuf der Fronleichnamsprozessionen, Kirchenfeste, Weihnachtsbäume und dergleichen“. Mit „dergleichen“ waren vermutlich die Nikolausbäumchen gemeint, die 1782 als „grüner Baum mit brennenden Kerzchen bestekket, auf welchem etwelche Pfunde candirtes Zuckerbacht ebenso glänzen wie der vom Reife candirte Kirschenbaum zur Winterszeit schimmert“ beschrieben wurden.
1832 stellte der deutschstämmige Harvard-Professor Karl Follen als erster einen Weihnachtsbaum in seinem Haus in Cambridge (Massachusetts) auf und führte so diesen Brauch in Neuengland ein.
Als sich die englische Königin Viktoria 1840 mit Albert von Sachsen-Coburg und Gotha vermählte, kam der Weihnachtsbaum nach London. Auch die Niederlande, Russland, besonders Petersburg und Moskau, wo er allerdings nur in den höchsten Kreisen üblich war, und Italien verdanken ihren Weihnachtsbaum den Deutschen. 1837 führte die Herzogin Helene von Orleans den Weihnachtsbaum in die Tuilerien ein, später machte sich die Kaiserin Eugenie um seine Verbreitung verdient. Zwei Jahrzehnte später wurden in Paris bereits 35.000 Christbäume verkauft. Nach Nordamerika gelangte der Christbaum durch deutsche Auswanderer und Matrosen. Alte US-Zeitungen berichten, Gustav Körner habe die typisch deutsche Sitte des beleuchteten und geschmückten Weihnachtsbaums in den Vereinigten Staaten eingeführt – und dies schon bald nach Ankunft im Bundesstaat Illinois zu seinem ersten Weihnachtsfest in den Vereinigten Staaten im Jahr 1833. In den Staaten wurden schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts Christbäume aus Eisen hergestellt. Diese Wunderwerke der Technik waren teilweise schon mit Gas beleuchtet: „Durch die hohlen Äste flutet das Gas und wo sonst Kerzen erstrahlen, zuckt aus schmaler Ritze die Gasflamme empor“.
Auf dem Petersplatz in Rom wurde 1982 erstmals auch ein Weihnachtsbaum aufgestellt.
In Österreich ist es in den letzten Jahrzehnten Tradition geworden, Christbäume an verschiedene Einrichtungen und Organisationen im Ausland als Geschenke zu überbringen. So steht seit dem EU-Beitritt ein österreichischer Nadelbaum vor dem EU-Parlament in Brüssel. Auch Schneiden, Sonder-Straßentransport, Aufstellen und Beleuchten in einer Hauptstadt werden als Spektakel des städtischen Adventmarkts inszeniert, wie das Beispiel eines 30 Meter hohen 140 Jahre alten Nadelbaums 2011 in Graz zeigt. Desgleichen wird jedes Jahr mit Beginn des Weihnachtsmarktes ein Tannenbaum auf dem Hamburger Rathausmarkt aufgestellt, der ein Geschenk eines nordischen Staates an den Stadtstaat ist.
2005 Jahre Christbaum in Österreich
Wenn am Heiligen Abend das Christkind unterwegs ist, wird es in den meisten Wohnungen mit einem Weihnachtsbaum begrüßt. Nur 18 Prozent der Haushalte verzichten auf diesen traditionellen Schmuck, vor allem Menschen anderer Glaubensrichtungen, Ältere und Singles, die gar nicht oder woanders feiern.
Erfindung des protestantischen Adels
Der Christbaum ist eine „Erfindung“ des protestantischen deutschen Adels und fand seinen Weg erst im 19. Jahrhundert in die biedermeierliche Familie der österreichischen Städte. Der erste historisch belegte Christbaum in Wien wurde angeblich 1814 von der jüdischen Gesellschaftsdame Fanny Arnstein aufgestellt. Diesen Brauch brachte sie aus Berlin mit, wo sie geboren und aufgewachsen war.
Der Wiener Volkskundler Richard Wolfram ortete drei Wurzeln des Christbaums: Die immergrüne Pflanze als Inbegriff der Fortdauer des Lebens („Wintermaien“), die Verbindung mit dem Licht („Lichterbaum“) und die Funktion als „Gabenbaum“. Zweifellos enthält der Christbaum auch Elemente älteren Brauchtums. Allgemein war es üblich, im Winter etwas Grünes in die Stube zu holen - egal ob Fichten, Tannen, Föhren oder deren Äste, Wacholder, Stechapfel oder Mistel. Tannen gaben im Mittelalter bei liturgischen Spielen den Paradiesbaum ab.
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