Freitag, 1. Januar 2016

Unsere Kirchen: Evangelische Kirche Neusiedl am See

Vom Toleranzpatent bis zum Kirchenbau

Die kleine evangelisch-lutherische Gemeinde hat heute ihren festen Platz im geistig-geistlichen und kulturellen Leben der Bezirkshauptstadt Neusiedl am See. Das verdankt sie einerseits der Verlässlichkeit und Tatkraft ihrer Mitglieder, besonders ihrer gewählten Mandatare, andererseits aber auch dem erfreulichen Klima der Toleranz, Offenheit und Geschwisterlichkeit seitens der großen katholischen Schwesterkirche und der gesamten Stadtverwaltung.
Die Wurzeln des evangelischen Lebens in Neusiedl sind aber nicht in der Stadt selbst zu suchen, sondern in den evangelischen Dörfern ringsum. So wie in den meisten burgenländischen Bezirken kam es kurz nach dem Erlass des Toleranzpatents durch Kaiser Josef II. , 1781, zu Pfarrgemeindegründungen außerhalb des Bezirkshauptortes. Die für Neusiedl maßgebliche evangelische Pfarrgemeinde war denn auch die Gemeinde Gols, heute noch die größte mehrheitlich evangelisch besiedelte Gemeinde Österreichs. Die paar evangelischen Neusiedler der ersten Stunde waren dementsprechend in ihrem geistlichen Leben, so wie alle übrigen evangelischen Seewinkler, nach Gols und seiner bedeutsamen Pfarrkirche orientiert.
Aber auch westlich von Gols nahm die Zahl der Evangelischen, namentlich durch konfessionsverbindende Eheschließungen und den Zuzug von evangelischen Flüchtlingen aus dem deutschen Osten, stetig zu. So entschloss sich die Pfarrgemeinde, zentral für die Orte Weiden am See, Jois und Winden am See, in Neusiedl eine Predigtstation zu errichten. Unterkunft für die Gottesdienste der Predigtstation fand man in der Neusiedler Hauptschule. Und so sammelte denn schon der ehrwürdige Senior Geistlinger, so wie nach ihm die Pfarrer Klettke und Nußgruber, seine getreuen Gemeindeglieder aus Neusiedl und Umgebung in einem Neusiedler Klassenzimmer auf Schulbänken und Schulsesseln um sich.
Der Bau der neuen Kirche

Auf Dauer konnte das jedoch keine Lösung sein und so tauchte der Plan auf, auch in Neusiedl eine evangelische Kirche zu errichten. 1978 begann das Golser Presbyterium, vehement durch die Superintendentur und den Superintendenten, Dr. Reingrabner, unterstützt, den Plan in die Tat umzusetzen. Der Baugrund für die Kirche in der Seestraße 30 wurde von der Superintendentur angekauft und zur Verfügung gestellt. Aber wer sollte als Bauherr fungieren? Weder die Superintendentur noch das Golser Presbyterium, sondern mit aller kirchlichen Unterstützung – natürlich die Neusiedler selbst! Da ergab sich allerdings ein gravierendes Problem: Eine Predigtstation ist keine Rechtspersönlichkeit, kann also keine Beschlüsse fassen und keine Geschäfte abwickeln. So überlegte man im Golser Presbyterium, entweder einen Bauausschuss für die Neusiedler Kirche einzurichten, oder die Predigtstation zur Tochtergemeinde zu erheben.
Zu Recht erwarteten sich das Presbyterium in Gols und der Superintendent, dass die Evangelischen aus dem Bereich der Predigtstation als eigenständige Tochtergemeinde mehr Engagement zeigen würden, als wenn sie bloß mit einem Bauausschuss konfrontiert worden wären. Und so wurden denn der Kirchenbau und die Erhebung zur Tochtergemeinde gleichzeitig betrieben. Für den Kirchenbau wurden ein Architekt und ein Baumeister gesucht, für die Tochtergemeinde ein sechsköpfiges Presbyterium.
Bereit, Verantwortung für die künftige Tochtergemeinde zu übernehmen, waren unter der Führung von Herrn Michael Boschner von Anfang an: Frau Helga Depauly, Herr Ing. Karl Taschner, Frau Frieda Weissmann, Herr David Nief und Herr Reinhold Reister. Als Architekt konnte Herr Bürgermeister Dipl.-Ing. Hans Halbritter gewonnen werden, mit der Errichtung des Neubaues wurde die Firma Brezina aus Frauenkirchen betraut. Blieb nur mehr die Frage der Finanzierung. Da musste es plötzlich sehr schnell gehen, denn der Gustav-Adolf-Verein, ein kirchliches Hilfswerk, bot an, die Geldmittel aus der Gustav-Adolf-Kindersammlung 1986, in etwa 2 Millionen Schilling ( € 140.000.-), für den Kirchenbau in Neusiedl zu widmen. Damit war der tragende Pfeiler der Finanzierung gesichert.
Bis Weihnachten 1986 wurde der Rohbau der Kirche ausgeführt, am 5. Juli 1987 wurde sie von Herrn Superintendent Dr. Gustav Reingrabner bereits feierlich eingeweiht.
Von der Predigtstation zur Tochtergemeinde
Der Kirchenbesuch in der neuen Kirche, einem Schmuckstück des evangelischen Kirchenbaus in Österreich, war und blieb erfreulich. Die offen gebliebenen Finanzierungslasten wurden weitgehend von den Mitgliedern der Tochtergemeinde selbst übernommen und getragen, wobei nicht unerwähnt bleiben darf, dass es auch in der katholischen Schwesterkirche, aus dem Munde des ehrwürdigen Herrn Dechant Dr. Hannes Kohl, einen Spendenaufruf zugunsten unserer neu errichteten Kirche gab. Mit Bescheid des Evangelischen Oberkirchenrates vom 29. September1987 traf die offizielle Bestätigung der Erhebung zur Tochtergemeinde in der Muttergemeinde Gols ein.
 

 

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