Confessio
Tetrapolitana
Bekenntniß
der vier Städte Straßburg, Costnitz, Memmingen und Lindau, worin sie Sr.
Kaiserlichen Majestät auf dem Reichstage zu Augsburg ihren Glauben dargelegt.
Eingang
Deine geheiligte Majestät,
Großmächtigster und Gnädigster Kaiser, hat befohlen, daß die Stände des
heiligen Reiches, so viel es jeden angehe, und so viel jeder zur Beruhigung der
Kirche Christi beizutragen hoffe, ihre Meinung von der Religion, so wie von den
Irrthümern und Fehlern, welche gegen ihre Lehre sich eingeschlichen haben, in
beiden Sprachen, lateinisch und deutsch, schriftlich abfassen und Dir
überreichen zur Untersuchung und Prüfung, um desto leichter Mittel und Wege zu
finden, die reine Lehre Christi wieder herzustellen, und alle Irrthümer
auszurotten.
Diesem Befehl, der nicht nur
aus einer, die Religion betreffenden und auf das Wohl der Kirche gerichteten
Absicht hervorgegangen ist, sondern auch jene unvergleichliche Gnade und
Leutseligkeit athmet und beweiset, wodurch Deine geheiligte Majestät die Liebe
der ganzen Welt gewonnen hat, gehorchen wir, wie es billig ist, mit Freuden.
Denn wir haben in dieser Angelegenheit nie etwas Anderes gesucht, als daß es
nach Abschaffung alles dessen, was im Widerspruch ist mit dem heiligen
Evangelium und den Geboten Christi, uns und allen Anderen, die Christum
bekennen, frei stehen möge, der reinen Lehre desselben, die allein seligmachend
ist, anzuhangen. Daher bitten wir und flehen Deine geheiligte Majestät
unterthänigst an, Du wollest geruhen, das, was wir als Grund der Hoffnung, die
in uns ist, vortragen werden, mit einer solchen Gesinnung gegen uns anzuhören
und zu erwägen, daß Du nicht zweifelst, unser Wunsch und Streben sei allein
darauf gerichtet, zuvörderst Gott, unserm Schöpfer, und dem Erlöser, Christo,
sodann Deiner geheiligten Majestät, zu Gefallen zu leben und Gehorsam zu
beweisen, und die von der üblichen einiger Maßen abweichende Lehre in keiner
anderen Absicht und Hoffnung angenommen haben, als weil wir überzeugt sind, so
fordere es von uns der, der uns erschaffen und erlöset hat, und weil wir, und
zwar wegen Deiner ausgezeichneten, schon längst bei uns gepriesenen
Religiosität, Frömmigkeit und Gerechtigkeit, uns versprochen, Du werdest, von
der Wahrheit alles dessen, was wir längst als Lehre Christi und lautere
Religion angenommen haben, unterrichtet, unser Vorhaben durchaus billigen und
uns zu denen zählen, welche Dir mit der höchsten Treue zu gehorchen sich
beflissen haben. Denn die hochbelobte Liebe Deiner geheiligten Majestät zur
Wahrheit und Billigkeit und Deine heiße Gottesfurcht gestatteten es nicht, auch
nur zu besorgen, Du werdest, ohne uns gehört zu haben, ein Vorurtheil gegen uns
hegen, und uns daher weniger gütig und aufmerksam anhören, oder nachdem Du uns
gehört und unser Anbringen in Gottesfurcht erwogen haben wirst, nicht sogleich
unter dem Einflusse des göttlichen Geistes, der in anderen Dingen Deine
geheiligte Majestät so glücklich geleitet hat, inne werden, daß wir der
eigenthümlichen Lehre Christi gefolgt sind.
Cap. 1. Vom Inhalte der Predigten.
Als man vor etwa zehn Jahren
anfing, die Lehre Christi durch Gottes besondere Wohlthat etwas zuverlässiger
und klarer, als vorher, hin und wieder in Deutschland vorzutragen, und daher,
wie an anderen Orten, auch bei uns über die meisten Lehren unsrer Religion
unter den Gelehrten, insbesondere unter denen, welche als Lehrer des
Christenthums in den Kirchen angestellt waren, öffentlich und täglich heftiger
gestritten, und deßhalb, wie es unvermeidlich war, weil der Satan auch sein
Werk trieb, das Volk durch die Streitpredigten auf gefährliche Weise getrennt
ward; haben wir, in Erwägung dessen, was der heilige Paulus schreibt, daß die
von Gott eingegebene Schrift nützlich sei zu lehren, damit die Sünde, wo sie
vorhanden ist, entdeckt und gestraft, und Jeder zur Gerechtigkeit gebildet
werde, daß ein Mensch Gottes vollkommen sei und zu jedem guten Werke geschickt,
indem uns die Furcht vor Gott und die gewisse, unserm Gemeinwesen drohende
Gefahr uns dazu antrieb und alles Zögern verbot, endlich denen, die bei uns das
Predigtamt verwalteten, befohlen, nichts anderes auf der Kanzel zu lehren, als
was in der heiligen Schrift entweder wirklich enthalten sei oder sich darauf
gründe. Denn es scheint uns nicht unangemessen, in so großer Gefahr dahin zu
fliehen, wohin ehedem und zu aller Zeit nicht nur die heiligen Väter, Bischöfe
und Fürsten, sondern auch alle Patriarchen geflohen waren, nämlich zu dem
Ansehen der göttlichen Schrift. Nach ihr haben die edlen Thessalonicher das
ihnen verkündigte Evangelium Christi geprüft, wie der heilige Lucas zu ihrem
Lobe erwähnt; in ihr wollte Paulus, sollte sein Timotheus mit dem größten
Fleiße sich üben; ohn ihr Ansehen haben nie die Päpste Gehorsam gegen ihre
Beschlüsse, die Väter Beifall für ihre Aussprüche, die Fürsten Hochachtung
gegen ihre Gesetze verlangt; endlich hat die große Versammlung des heiligen
Reiches im Jahre Christi 1523 zu Nürnberg festgesetzt, daß die Predigten aus
ihr hergeleitet werden sollen. Denn wenn es wahr ist, was der heilige Paulus
bezeugt, daß ein Mensch Gottes durch die heilige Schrift vollkommen und zu
jedem guten Werke geschickt werde, so kann dem, der die Schrift gewissenhaft zu
Rathe zieht, nichts an der christlichen Wahrheit, nichts an der heilsamen Lehre
fehlen.
Cap. 2. Von der hochheiligen
Dreieinigkeit und dem Geheimniß des Mensch gewordenen Christus.
Da nun mit Vermeidung
verderblicher Zänkereien aus ihr bei uns die Predigten geschöpft werden, so
sind die, denen die Religion nur einiger Maßen am Herzen lag, nicht nur zur
sicheren Erkenntniß der Lehre Christi gelangt, sondern haben auch mit Eifer
begonnen, sie im Leben sichtbar werden zu lassen, und sie haben das aufgegeben,
was den Grundsätzen des Christenthums unerlaubter Weise beigemischt war, und
sind dagegen in dem, was damit übereinstimmt, befestigt worden.
Dahin gehört, was die Kirche
Christi von der hochheiligen Dreieinigkeit bisher geglaubt hat, daß nämlich der
Vater, der Sohn und der heilige Geist dem Wesen nach Ein Gott sei und daß nur
ein Unterschied der Personen Statt finde, daß auch unser Heiland, Jesus
Christus, wahrer Gott, auch wahrer Mensch geworden sei, ohne Vermischung der
Naturen durch Vereinigung derselben in Einer Person, so, daß sie in alle
Ewigkeit nicht wieder getrennt werden. Auch in dem ist nichts geändert, was die
Kirche nach der Lehre der heiligen Evangelien von unsrem Heilande, Jesu
Christo, glaubt, der vom heiligen Geiste empfangen, dann von der seligen
Jungfrau Maria geboren, zuletzt, nachdem er die Predigt des Evangeliums
vollendet, am Kreuz gestorben und begraben, zur Hölle hinabgestiegen, am
dritten Tage von den Todten zum ewigen Leben erweckt, und nachdem er die dazu
erwählten Zeugen durch mancherlei Beweise davon überzeugt hatte, in den Himmel
zur Rechten des Vaters erhoben ist, von wo wir ihn erwarten als Richter der
Lebenden und der Todten.
Inzwischen erkennen wir, daß
er nichts desto weniger bis an das Ende der Welt seiner Kirche gegenwärtig sei,
sie erneue, heilige, und als seine einzig geliebte Braut mit dem Schmuck aller
Tugenden ziere.
Da wir hierin nicht abweichen
von den Vätern, und dem gemeinschaftlichen Bekenntniß der Christen, so glauben
wir, es werde hinreichen, daß wir von unserm Glauben auf diese Weise Zeugniß
gegeben haben.
Cap. 3. Von der
Rechtfertigung und dem Glauben.
Was aber von der Art und
Weise, wie wir der durch Christum geschehenen Erlösung theilhaft werden, und
von den Pflichten des Christen gelehrt zu werden pflegt, davon sind die
Unsrigen einiger Maßen abgewichen. Was wir in dieser Hinsicht angenommen haben,
wollen wir versuchen, Deiner geheiligten Majestät ganz einfältig auseinander zu
setzen, und zugleich diejenigen Stellen der Schrift, welche uns dazu genötigt
haben, treulich anzuzeigen.
Erstlich hat man seit einigen
Jahren behauptet, daß zur Rechtfertigung des Menschen seine eignen Werke
erforderlich seien; die Unsern aber haben gelehrt, sie sei ganz und gar der
Gnade Gottes und dem Verdienste Christi zuzuschreiben, und werde allein durch
den Glauben erlangt. Dazu haben sie unter andern folgende Stellen der Schrift
bewogen: „Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu
werden, die an seinen Namen glauben, welche nicht von dem Geblüte, noch von dem
Willen des Fleisches, noch von dem Willen eines Mannes, sondern von Gott
geboren sind.“ - „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Es sei denn, daß Jemand
von Neuem geboren werde, (sonst) kann er das Reich Gottes nicht sehen.“ -
„Niemand kennt den Sohn, denn der Vater, und wem es der Sohn will offenbaren.“
- „Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut hat dir das nicht
offenbaret.“ - „Es kann Niemand zu mir kommen, es sei denn, daß ihn ziehe der
Vater.“ - „Aus Gnaden seid ihr selig geworden, durch den Glauben, und dasselbe
nicht aus euch, Gottes Gnade ist es, nicht aus den Werken, auf daß sich nicht
Jemand rühme; denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christo Jesu zu guten
Werken, zu welchen Gott uns zuvor bereitet hat, daß wir darin wandeln sollen.“
Da es nun unsre Gerechtigkeit
und ewiges Leben ist, Gott und unseren Erlöser, Jesum Christum, zu erkennen,
dieß aber so wenig durch Fleisch und Blut bewirkt werden kann, daß man dazu von
neuem geboren werden muß, und da wir nicht zum Sohne kommen können, als wenn
uns der Vater zieht, noch den Vater kennen lernen, als wenn ihn der Sohn uns
offenbart, und da Paulus so ausdrücklich schreibt: „Nicht aus uns, noch aus den
Werken,“ so erhellt hinlänglich, daß unsre Werke nichts dazu beitragen können,
daß wir aus Ungerechten, wie wir geboren worden, Gerechte werden, indem wir, da
wir von Natur Kinder des Zorns, und daher Ungerechte sind, nichts Gerechtes und
Gott Wohlgefälliges zu leisten vermögen, sondern der Anfang unsrer ganzen
Gerechtigkeit und Seligkeit von dem barmherzigen Gotte ausgehen muß, der allein
aus seiner Gnade und in Betracht des Todes seines Sohnes zuvörderst die Lehre
der Wahrheit und sein Evangelium durch die von ihm gesandten Boten desselben
darbeut, sodann, da der sinnliche Mensch, wie Paulus spricht, das Göttliche
nicht begreifen kann, zugleich einen Strahl seines Lichtes in der Finsterniß
unsres Herzens aufgehen läßt, damit wir, weil der Geist aus der Höhe uns von
der Wahrheit des uns verkündigten Evangeliums überzeugt, demselben glauben, und
alsbald, auf das Zeugniß dieses Geistes gestützt, Gott im kindlichen Vertrauen
anrufen und sprechen können: Abba! Vater! und dadurch unvergängliche Seligkeit
erlangen, nach jenem Ausspruch: „Wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll
selig werden.“
Cap. 4. Von den guten Werken,
die aus dem Glauben durch die Liebe hervorgehen.
Dieß aber wollen wir nicht so
verstanden wissen, als wenn wir die Seligkeit und Gerechtigkeit in müßigen
Gedanken der Seele, oder in einem Glauben ohne Liebe, den man gestaltlos nennt,
setzen, da wir überzeugt sind, daß Niemand gerecht oder selig werden könne,
wenn er nicht Gott über Alles liebt und ihm eifrigst nachahmt. „Denn welche er
zuvor versehen hat, die hat er auch verordnet, daß sie gleich sein sollten dem
Ebenbilde seines Sohnes,“ wie in der Herrlichkeit des ewigen Lebens, so auch im
Schmucke der Unschuld und der vollkommenen Gerechtigkeit; denn „wir sind sein
Werk, geschaffen zu guten Werken.“ Nun aber kann Niemand Gott über Alles lieben
und in redlichem Eifer ihm nachahmen, als wer ihn recht kennt, und von ihm in
jeder Hinsicht das Beste hofft. Gerechtfertigt werden, das heißt, gerecht und
so auch selig werden (denn die Gerechtigkeit ist eben unsre Seligkeit) können
wir durchaus nicht anders, als wenn uns vor allen Dingen der Glaube geschenkt
wird, durch den wir dem Evangelium vertrauen und in der Ueberzeugung, daß Gott
uns zu Kindern angenommen hat, und uns seine väterliche Gnade in Ewigkeit
zuwenden wolle, gänzlich an seinem Winke hangen. Diesen Glauben nennt der
heilige Augustinus in seinem Buche vom Glauben und von den Werken den
evangelischen, der nämlich durch die Liebe thätig ist. Durch ihn werden wir
erst wiedergeboren, und das Ebenbild Gottes wird in uns wieder hergestellt.
Durch ihn werden wir, da wir verderbt geboren worden, und unsre Gedanken von
Kindheit an sich zum Bösen neigen, gut und rechtschaffen. So nun dem einigen Gott,
dem ewigen und reichlich sich ergießenden Quell aller Güter vollkommen
gesättigt, beweisen wir uns gegen Andere als Götter, das heißt, als rechte
Kinder Gottes, indem wir durch die Liebe nach Kräften ihr Bestes suchen. Denn
wer seinen Bruder liebt, der bleibt im Lichte, und ist aus Gott geboren, ganz
ergeben dem neuen und zugleich alten Gebot von der gegenseitigen Liebe. Und
diese Liebe ist des ganzen Gesetzes Erfüllung, wie Paulus spricht: Das ganze
Gesetz wird in Einem Worte erfüllt, in dem nämlich: Liebe deinen Nächsten, wie
dich selbst. Denn Alles, was das Gesetz Gottes lehrt, zielt dahin und fordert
das eine, daß wir endlich zum vollkommenen Ebenbilde Gottes erneuert, in jeder
Hinsicht gut und zum Nutzen der Menschen bereit und geschickt sind, was nicht
anders möglich ist, als wenn uns jede Tugend schmückt. Denn wer kann zur wahren
Erbauung der Kirche und zum wahren Besten Aller, das heißt, nach dem Gesetze
Gottes und zur Ehre Gottes Alles beginnen und vollbringen, wie es einem
Christen gebührt, wenn er nicht überall ordentlich und richtig denkt und
spricht und handelt, so, daß das ganze Chor der Tugenden bei ihm wohnt?
Cap. 5. Wem die guten Werke
zuzuschreiben und wie nothwendig sie sind.
Da aber die, welche Gottes
Kinder sind, mehr vom Geiste Christi getrieben werden, als selbst handeln, und
von ihm und durch ihn alle Dinge sind, so darf keinem anderen, als eben diesem
Geiste, dem alleinigen Spender aller Tugenden, zugeschrieben werden, was wir
Gutes und Rechtes thun. Er thut uns schlechterdings keinen Zwang an, sondern er
führt uns mit unserm Willen, und wirket so in uns das Wollen und das
Vollbringen. Daher schreibt der heilige Augustinus sinnreich, Gott belohne in
uns seine eignen Werke. Hiermit verwerfen wir die guten Werke nicht, sondern
behaupten nur, daß Niemand selig werden könne, wenn er nicht durch den Geist
Christi dahin gelangt, daß ihm keines der guten Werke mangelt, wozu ihn Gott
erschaffen hat. Denn wir sind verschiedene Glieder desselben Leibes, weßhalb
auch nicht Jeder dieselben Pflichten hat. Die Erfüllung des Gesetzes ist so
nothwendig, daß Himmel und Erde eher untergehen könnten, als daß ein Jota oder
der kleinste Strich davon erlassen werden könnte. Weil aber Gott allein gut
ist, und Alles aus Nichts geschaffen hat, und uns durch seinen Geist völlig
erneut und gänzlich regiert (denn in Christo gilt nur eine neue Creatur,) so
kann nichts davon der Kraft des Menschen zugeschrieben werden, und man muß
bekennen, Alles sei ein Geschenk Gottes, der aus Gnade und ohne irgend ein
Verdienst von unsrer Seite uns huldreich und freundlich ist.
Hieraus kann man zur Genüge
erkennen, was wir von der Rechtfertigung halten, durch wen sie uns zu Theil
werde, auf welche Weise wir sie erlangen, und welche Schriftstellen uns zu
diesem Glauben führen. Denn obgleich wir aus sehr vielen nur wenige angeführt
haben, so leuchtet doch aus diesen wenigen einem Jeden, der nur einiger Maßen
in der Schrift bewandert ist, vollkommen ein, daß solche Sprüche, in denen uns
nur Sünde und Verderben, wie Hoseas spricht, dem Herrn aber unsre ganze
Gerechtigkeit und Seligkeit zugeschrieben wird, an verschiedenen Stellen
vorkommen.
Cap. 6. Von den Pflichten
eines Christen.
Jetzt kann es auch nicht mehr
zweifelhaft sein, worin die Pflichten eines Christen bestehen, und welcher Handlungen
er sich besonders befleißigen müsse; derjenigen nämlich, durch welche Jeder für
sich seinen Mitmenschen dienen kann, zuerst zum ewigen Leben, daß auch sie
anfangen, Gott zu erkennen, anzubeten und zu verehren, sodann auch für das
gegenwärtige Leben, daß ihnen nichts von dem fehle, was des Leibes Nothdurft
fordert. Denn wie das ganze Gesetz Gottes, welches alle Gerechtigkeit aufs
vollkommenste gebietet, in dem Einen Worte zusammengefaßt wird: Du sollst
deinen Nächsten lieben, wie dich selbst, so muß auch alle Gerechtigkeit in der
Beweisung solcher Liebe zusammengefaßt und ausgeübt werden. Daher darf durchaus
nichts zu den Pflichten eines Christen gerechnet werden, was nicht einen
Beitrag zum Wohl des Nächsten liefert, und jedes Werk ist um so mehr eine
Christenpflicht, je mehr es das Beste des Nächsten befördert. Deßhalb rechnen
wir, nächst den kirchlichen Aemtern, unter die wichtigsten Pflichten eines
Christen die Verwaltung des gemeinen Wesens, daß man denen, die es verwalten,
gehorsam sei, weil sie dadurch das allgemeine Beste befördern, ferner die Sorge
für Weib, Kinder und Familie, die Ehrfurcht gegen die Aeltern, weil ohne dieß
das Leben der Menschen nicht bestehen kann, das Treiben freier Künste und guter
Wissenschaften, ohne deren Pflege wir sehr großer, dem Menschengeschlecht
eigenthümlicher Vorzüge verloren gehen müßten. Doch darf man in diesen und
anderen Geschäften des menschlichen Lebens nichts aufs Gerathewohl vor die Hand
nehmen, vielmehr soll man gewissenhaft darauf achten, wozu man von Gott berufen
wird. Das wird denn eines Jeden Pflicht, und zwar die vornehmste sein, was den
Wittwen den größten Vortheil bringt.
Cap. 7. Vom Beten und Fasten.
Beten aber und andächtiges
Fasten halten wir nichts desto weniger für heilige Werke, welche einem Christen
sehr wohl anstehen, zu denen unsre Prediger ihre Zuhörer aufs fleißigste
ermahnen. Denn das rechte Fasten ist gleichsam eine Entsagung des
gegenwärtigen, bösen Lüsten stets unterworfenen, und eine Betrachtung des
künftigen Lebens, das von Leidenschaften frei ist. Das Gebet aber ist eine
Erhebung des Gemüthes zu Gott, und ein solches Gespräch mit ihm, das mehr als
sonst etwas mit himmlischen Empfindungen entflammt und die Seele nach dem
Willen Gottes bildet. Obgleich aber dieß heilige und einem Christen nöthige
Uebungen sind, so dient man durch sie nicht eigentlich dem Nächsten, sondern
man wird dadurch in den Stand gesetzt, dem Nächsten mit Erfolg zu dienen, daher
darf man sie der heilsamen Belehrung, gottseligen Ermahnungen und Erinnerungen
oder anderen Pflichten vorziehen, aus denen dem Nächsten sogleich ein Vortheil
erwächst. Daher lehren wir von dem Erlöser, daß er des Nachts gebetet, am Tage
aber gelehrt und Kranke geheilt habe. Denn wie die Liebe größer ist als Glaube
und Hoffnung, so glauben wir auch, müsse das, was sich zunächst auf dieselbe
bezieht, was den Menschen sicheren Nutzen bringt, allen anderen Verrichtungen
vorgezogen werden. Daher schreibt auch der heilige Chrysostomus, das Fasten
habe in der Reihe der Tugenden den letzten Platz.
Cap. 8. Von den
Fastengeboten.
Weil aber nur solche Seelen,
welche voll Inbrunst und durch den Geist von oben angeregt sind, gehörig und
mit Nutzen beten oder fasten können, so glauben wir, daß es besser sei, nach
dem Beispiel der Apostel und der frühern, reineren Kirche durch fromme
Ermahnungen dazu zu ermuntern, als es durch Gebote zu erzwingen, insbesondere
durch solche, die Alles zur Sünde machen, wie man sichs in spätern Zeiten
erlaubt hat, nachdem der Priesterstand nicht wenig ausgeartet war. So wollen
wir auch den Ort, die Zeit, die Art und Weise zu beten und zu fasten, lieber
dem heiligen Geiste, ohne den Niemand recht beten und fasten kann, zu bestimmen
überlassen, als durch bestimmte Gesetze vorschreiben, besonders solche, die man
nicht ungestraft übertreten könnte.
Daß aber wegen der Jüngeren
und Unvollkommnern Zeit und Weise des Gebetes und des Fastens festgesetzt
werde, um sie wie durch heilige Vorübungen gleichsam vorzubereiten, das
mißbilligen die Unsern gar nicht, wenn es nur ohne Gewissenszwang geschieht. Zu
dieser Meinung sind wir nicht nur dadurch geführt, daß jede unwillkommene
Nöthigung mit der Natur dieser Handlungen streitet, sondern auch, daß weder
Christus selbst, noch die Apostel jemals solche Vorschriften erwähnt haben. Das
bezeugt auch der heilige Chrysostomus: „Du siehst,“ spricht er, „daß ein
rechtschaffenes Leben mehr hilft, als alles Andere. Ein rechtschaffenes Leben
aber nenne ich nicht die Beschwerde des Fastens, nicht das Lager im Sack und in
der Asche, sondern, wenn man das Geld nicht anders, als wie sichs gebührt,
verachtet, wenn man in der Liebe brennt, die Hungrigen mit seinem Brote
speiset, den Zorn überwindet, eitle Ehre nicht begehrt, und vom Neide nicht
beherrscht wird. Denn das sind die Proben eines rechtschaffenen Lebens.“ Er1) sagt auch nicht, daß wir sein Fasten
nachahmen sollen, obgleich er auf jene vierzig Tage hinweisen konnte, sondern:
„Lernet von mir; denn ich bin sanftmüthig und von Herzen demüthig.“ Im
Gegentheil spricht er: „Esset alles, was euch vorgetragen wird.“ Auch lesen wir
nicht, daß dem alten Volke ein feierliches und ordentliches Fasten geboten sei,
als an einem einzigen Tage. Denn was von Propheten und Königen nach dem Zeugniß
der Schrift angeordnet ward, das war, wie ausgemacht ist, nicht etwas
Feststehendes, sondern nur für die Zeit veranstaltet, weil es nämlich eine
bestimmte, entweder bevorstehende oder schon vorhandene Noth forderte. Weil
also die Schrift, wie der heilige Paulus ausdrücklich versichert, uns zu allen
guten Werken anleitet, von diesen durch Gebote erzwungenen Fasten aber nichts
weiß, so sehen wir nicht, wie es den Nachfolgern der Apostel zustehen konnte,
die Kirche mit einer so großen und gefährlichen Last zu beschweren. Irenäus
wenigstens bezeugt, daß man das Fasten in den Gemeinen ehemals auf verschiedene
Art und mit Freiheit beobachtet habe. Eben daselbst erinnert Eusebius, daß ein
Kirchenschriftsteller, Apollonius, die Lehre des Ketzers Montanus mit diesem
Grunde widerlegt habe, daß er zuerst Fastengesetze aufgelegt hätte. So hielt er
es für unwürdig derer, welche die reine Lehre Christi bekennen. Daher sagt auch
Chrysostomus irgendwo: „Das Fasten ist anständig, aber Niemand werde gezwungen.“
Und an einer anderen Stelle ermahnt er den, der nicht fasten kann, sich von der
Ueppigkeit fern zu halten, und versichert, das sei nicht viel anders, als
fasten, es sei eine starke Waffe, um die Wuth des Teufels abzuhalten. Ueberdieß
beweiset es die Erfahrung nur zu sehr, daß die Fastengebote der Frömmigkeit
sehr geschadet haben.
Da es uns nun ausgemacht zu
sein schien, daß die Fürsten der Kirche die Gewalt, Fasten so vorzuschreiben,
daß die Uebertretung als Sünde zu betrachten sei, gegen das Zeugniß der Schrift
sich angemaßt haben, so haben wir erlaubt, die Gewissen von diesen Stricken zu
befreien, aber nach der Schrift, insbesondere nach Paulus, welcher diese
weltlichen Satzungen geflissentlich von den Schultern der Christen hinwegnimmt.
Denn nicht von geringem Gewichte mußte bei uns der Ausspruch Pauli sein:
„Lasset Niemand euch Gewissen machen über Speise oder Trank, oder über
bestimmte Feiertage oder Neumonde oder Sabbathe;“ und abermal: „So ihr denn nun
abgestorben seid mit Christo der Satzungen der Welt, was lasset ihr euch den
fesseln mit Vorschriften, als lebtet ihr noch?“
Wenn demnach der heilige
Paulus, der so sicher als irgend Jemand Christum lehrte, behauptet, daß wir
eine solche Freiheit von äußerlichen Dingen durch Christum erlangt haben, so,
daß er nicht nur keinem Geschöpfe das Recht einräumt, die, welche an Christum
glauben, selbst mit den Gebräuchen und Uebungen zu belasten, die Gott
angeordnet und denen er für eine gewisse Zeit einen Nutzen beigelegt hat,
sondern auch erklärt, daß diejenigen von Christo abgefallen seien und er ihnen
nichts helfe, die sich dergleichen vorschreiben lassen; wie müssen wir dann
über die Vorschriften urtheilen, welche die Menschen nicht nur ohne einen
Ausspruch der Schrift, sondern auch ohne ein nachahmungswürdiges Vorbild
ersonnen haben, welche daher nicht nur dürftig und schwach, nicht Elemente oder
Anfangsgründe der heiligen Erziehung, sondern für sehr viele Hindernisse aller
wahren Frömmigkeit geworden sind? Um wie viel ungerechter wird es sein, wenn
Jemand sich diese Gewalt über das Erbtheil Christi anmaßt, es mit solcher
Knechtschaft zu belasten, und wie weit würde uns das von Christo entfernen,
wenn wir uns dem unterwürfen! Denn wer sieht nicht, daß die Ehre Christi, für
die wir ganz leben müssen, die er, und zwar mit seinem Blute, ganz erkauft und
erlöset hat, mehr verdunkelt werde, wenn wir ohne seinen Befehl unser Gewissen
mit solchen Gesetzen verstricken, welche menschliche Erfindungen sind, als mit
denen, die Gott zum Urheber haben, obgleich sie nur zu ihrer Zeit zu beobachten
waren. Wie ein Jude leben, ist gewiß weniger, als wie ein Heide leben.
Heidnisch aber ist es, Gesetze für die Verehrung Gottes annehmen, die ohne Gott
aus menschlichem Verstande hervorgegangen sind. Daher gilt, wenn irgendwo, hier
gewiß jener Ausspruch des heiligen Paulus: „Ihr seid theuer erkauft, werdet
daher nicht der Menschen Knechte.“
Cap. 9. Von der
Unterscheidung der Speisen.
Aus derselben Ursache ist
auch jene für gewisse Tage vorgeschriebene Unterscheidung der Speisen
nachgelassen, welche Paulus in einem Briefe an Timotheus eine Teufelslehre
nennt. Auch ist es ausgemacht, wenn Einige meinen, daß dieß nur gegen die
Manichäer, Eucratiten, Tatianer und Marcioniten gerichtet sei, die überhaupt
gewisse Speisen und die Ehe verboten. Der Apostel verdammt hier diejenigen,
welche gebieten, daß man sich von den Speisen enthalten solle, die Gott
geschaffen hat, daß man sie nehme u. s. w. Diejenigen aber, die nur für
bestimmte Tage den Genuß gewisser Speisen untersagen, gebieten nichts desto
weniger, sich der Speisen zu enthalten, die Gott geschaffen hat, daß man sie
nehme, und komme also der Teufelslehre nahe, wie aus dem Grunde hervorgeht, da
der Apostel hinzufügt: „Alle Creatur Gottes,“ spricht er, „ist gut, und ist
nichts verwerflich, das mit Danksagung empfangen wird.“ Denn er nimmt keine
Zeit aus, obgleich Niemand eifriger, als er, Mäßigkeit, Enthaltsamkeit,
besondere Züchtigungen des Fleisches und rechtes Fasten empfohlen hat.
Mäßigkeit ist allerdings die Pflicht eines Christen, aber für immer; das
Fleisch muß zuweilen gezüchtigt werden, durch Verminderung des gewöhnlichen
Maßes; allein dahin gehört mehr die geringe Beschaffenheit und das Maß, als die
Gattung der Speise. Auch gebührt sichs für Christen, öfters zu fasten; aber so,
daß es nicht Enthaltsamkeit von gewissen Speisen sei, sondern von Allem, und
nicht davon allein, sondern von allen Ergötzlichkeiten des Lebens. Denn was ist
das für ein Fasten, oder was ist das für eine Enthaltsamkeit, wenn man nur die
Art der Genüsse ändert, wie die zu thun pflegen, die jetzt für besonders fromm
gelten, da der heilige Chrysostomus es nicht für ein Fasten erkennt, wenn man
auch bis zum Abend ohne Speisen bleibt, wenn man mit der Enthaltsamkeit von
Speisen nicht Vermeidung alles Schädlichen verbindet, und einen großen Theil
der Zeit zur Beschäftigung mit geistlichen Dingen gebraucht.
Cap. 10. Daß im Beten und
Fasten kein Verdienst zu suchen sei.
Ferner haben unsre
Geistlichen über Fasten und Beten bessern Unterricht ertheilt, da man die Leute
gewöhnlich lehrt, in diesen Handlungen Verdienst und Gerechtigkeit zu suchen.
Denn so wie wir aus Gnade durch den Glauben selig werden, so werden wir auch
gerecht. Und von den Werken des Gesetzes, zu denen auch das Gebet und das
Fasten gerechnet wird, schreibt Paulus so: „ Christus ist euch überflüssig, die
ihr durch das Gesetz gerecht werdet; ihr seid aus der Gnade gefallen; denn wir
bewahren im Geist und Glauben die Hoffnung der Gerechtigkeit.“ Daher muß man
beten, aber, um von Gott zu empfangen, nicht, um ihm etwas zu geben. Wir müssen
fasten, damit wir desto aufgelegter seien zum Gebet, und das Fleisch
beherrschen, nicht, um etwas bei Gott zu verdienen. Dieser alleinige Zweck und
Nutzen des Gebetes und Fastens wird in der Bibel, so wie in den Schriften und
durch das Beispiel der Kirchenväter empfohlen. In dieser Hinsicht steht unsre
Sache so, daß, wenn wir auch mit noch so großer Andacht beten und fasten, und
Alles, was uns Gott befohlen hat, vollbringen könnten, und nichts weiter von
uns gefordert werden könnte, was kein Sterblicher bis dahin geleistet hat, wir
uns dennoch für unnütze Knechte bekennen müßten. Wie sollten wir also von einem
Verdienste träumen?
Cap. 11. Daß der einige Gott
durch Christum angerufen werden müsse.
Dabei ist noch ein anderer
Mißbrauch verworfen, daß man nämlich durch Gebet und Fasten auch das
Wohlgefallen der Mutter Gottes, der Jungfrau Maria, und anderer Heiligen
gewinnen will, um durch ihre Vermittelung und ihr Verdienst von Uebeln der
Seele und des Leibes befreit und mit Gütern aller Art erfüllt zu werden. Denn
unsre Prediger lehren, den alleinigen Vater im Himmel durch den alleinigen
Mittler, Christum, anzurufen und um Alles zu bitten, da, wie er selbst bezeugt
hat, er uns nichts versagen wird, um was wir ihn im Glauben und im Namen
Christi bitten. Da also Paulus diesen einen Menschen, Jesum Christum, den
Mittler zwischen Gott und den Menschen nennt, und Niemand uns mehr lieben, auch
Niemand bei dem Vater mehr gelten kann, so pflegt man bei uns zu erinnern, daß
man an diesem einen Mittler und Vertreter bei dem Vater genug habe. Die Mutter
Gottes aber, die heiligste Jungfrau Maria und alle Heiligen lehrt man zwar mit
allem Fleiße zu ehren; das könne jedoch nur dann geschehen, wenn man sich
dessen befleißige, was ihnen besonders am Herzen liegt, nämlich der Unschuld
und Frömmigkeit, worin sie uns so herrliche Vorbilder gegeben haben. Denn da
sie Gott von ganzem Herzen, von ganzer Seele und aus allen Kräften lieben, so
können wir nichts thun, das ihnen lieber wäre, als wenn wir, wie sie, Gott aufs
inbrünstigste lieben und ihm nachahmen. Denn ihrem Verdienste schreiben sie
ihre eigene Seligkeit nicht zu; viel weniger kommt es ihnen in den Sinn, uns
dadurch zu helfen. Sie Alle sprachen, so lange sie hier lebten, mit Paulus:
„Das Leben, das ich nun lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben an den Sohn
Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich dahingegeben hat; ich
verachte nicht die Gnade Gottes.“ Wenn sie selbst nun Alles der Gnade Gottes
und der Erlösung Jesu Christi zuschreiben, so können wir durch nichts ihr
Wohlgefallen mehr erlangen, als wenn auch wir uns auf diese Hülfe verlassen.
Cap. 12. Vom Mönchswesen.
Aus derselben Ursache aber,
weil unsre Rechtfertigung ganz auf dem Glauben an Jesum Christum beruht, wodurch
uns Freiheit in allen äußerlichen Dingen gegeben ist, so haben wir auch bei uns
die Fesseln des Mönchthums zu lösen gestattet. Denn wir sehen, daß diese
Freiheit der Christen von dem heiligen Paulus überall nachdrücklich vertheidigt
wird, nach welcher ein Jeder, für sich gewiß, daß bei Jesu Christo, unsrem
Herrn, allein alle Gerechtigkeit und Seligkeit zu suchen sei, und ebenso gewiß,
daß man alle Dinge dieses Lebens immer, wie zum Besten des Nächsten, so zur
Ehre Gottes gebrauchen solle, über sich und Alles, was er hat, dem heiligen
Geiste Christi, dem Geber der wahren Kindschaft und Freiheit, die Entscheidung,
Leitung, Anordnung und Anwendung zum Besten der Nebenmenschen und zur
Verherrlichung Gottes gänzlich überlassen muß. Wenn wir diese Freiheit behaupten,
beweisen wir uns als Knechte Christi; wenn wir sie in die Gewalt der Menschen
geben, und uns ihren Satzungen unterwerfen, so fallen wir von Christo ab, und
wenden uns als Ueberläufer zu den Menschen. Dieß wäre um so gewissenloser, da
Christus uns nicht um einen geringen Preis zu seinem Eigenthum erkauft hat,
indem er uns aus der verderblichen Sclaverei des Satans mit seinem Blute
erlöste. Und das ist die Ursache, weßhalb Paulus in seinem Briefe an die
Galater es so entschieden verwirft, daß sie an den Ceremonien des, wenn auch
göttlichen, Gesetzes hingen, da dieß doch, wie wir eben gezeigt haben ,viel
eher zu entschuldigen wäre, als die Unterwerfung unter ein Joch, welches
Menschen aus sich selbst erdichtet haben. Denn er schreibt, und zwar der Wahrheit
gemäß, wer das Joch jener Ceremonien auf sich nehme, der verachte die Gnade
Gottes und achte den Tod Christi für nichts; daher fürchte er, umsonst an ihnen
gearbeitet zu haben, und ermahnt sie, in der Freiheit, mit der uns Christus
befreit hat, zu bestehen, und sich nicht wieder das Joch der Knechtschaft
auflegen zu lassen.
Nun steht fest, daß das
Mönchthum nichts Anderes ist, als Knechtschaft unter menschlichen Satzungen,
und durchaus eine solche, wie sie Paulus in den angeführten Stellen verdammt;
denn die, welche in den Mönchsstand treten, widmen sich jenen menschlichen
Anordnungen in der Hoffnung, sich dadurch Verdienste zu erwerben. Daher halten
sie es für ein Verbrechen, sich von ihnen wieder zur Freiheit Christi zu
wenden. Da aber unser Leib und unser Geist Gottes ist, und zwar aus zwiefachem
Grunde, nach der Schöpfung und nach der Erlösung, so kann es den Christen nicht
frei stehen, sich in den Dienst jener mönchischen Knechtschaft zu begeben, viel
weniger, als leiblichen Knechten (Sclaven), ihre Herren zu ändern. Ueberdieß
läßt sich nicht leugnen, daß durch solche Hingabe und solche Gelübde, nach den
Geboten der Menschen zu leben, wie es immer zu geschehen pflegt, die
Nothwendigkeit herbeigeführt werde, Gottes Gesetz zu übertreten. Das Gesetz Gottes
verlangt, daß ein Christ der Obrigkeit, den Aeltern, den Verwandten und allen
Anderen, die Gott mit ihm in Verbindung gebracht und ihm zugeführt hat, daß er
ihnen Dienste leiste, nach Kräften diene, an welchem Ort oder zu welcher Zeit
es auch sei, wenn ihr Bedürfniß es fordert. Ferner soll er eine solche
Lebensweise erwählen, in welcher er das Wohl des Nächsten am besten befördern
kann, und nicht den ehelosen Stand vorziehen, wenn es ihm nicht um des
Himmelreichs willen, das heißt: zur Beförderung der Gottseligkeit und der Ehre
Gottes, gegeben ist, sich selbst zu verschneiden und der Ehe zu entsagen. Denn
es besteht jenes durch Paulus bekannt gemachte Gebot Gottes, welches
menschliche Gelübde nicht aufheben können: Zur Vermeidung der Hurerei habe ein
Jeder (Niemand wird ausgenommen) sein Weib und eine Jede ihren Mann. Denn nicht
Alle fassen jenes Wort von der um des Himmelreichs willen zu wählenden
Ehelosigkeit, wie Christus selbst bezeugt, der am besten wußte und am
glaubwürdigsten lehrte, was die menschliche Natur vermag, und was dem Vater
gefällt.
Es liegt zwar am Tage, daß
die, welche Mönchsgelübde übernehmen, durch sie von einer gewissen
Menschenclasse so abhängig werden, daß sie weder der Obrigkeit, noch den
Aeltern, noch irgend einem Menschen, mit alleiniger Ausnahme des
Klosteraufsehers, gehorsam und dienstfertig sich beweisen, oder mit ihrem
Vermögen zu Hülfe kommen dürfen, am allerwenigsten aber ein Weib nehmen, so
sehr sie auch Brunst leiden und so unvermeidlich sie auch in allerlei Laster
gerathen. Da es also klar ist, daß jene mönchischen Gelübde den Menschen der
Dienstbarkeit Christi entbinden, und der Dienstbarkeit nicht sowohl der
Menschen, als des Satans unterwerfen, und, wie es bei Menschensatzungen zu
geschehen pflegt, ihm die Nothwendigkeit auflegen, das Gesetz Gottes zu
übertreten, daß sie folglich offenbar mit den Geboten Gottes streiten, so
glauben wir mit Recht, daß sie aufgehoben werden müssen, da nicht nur das
geschriebene, sondern auch das natürliche Gesetz eine Zusage aufzuheben gebietet,
wenn die Erfüllung derselben den guten Sitten, geschweige denn der Religion,
zuwider ist.
Daher haben wir es Niemand
wehren können, der das Mönchsleben, ohne Zweifel eine Dienstbarkeit des Satans,
mit dem christlichen Leben vertauschen wollte; ebenso wenig Anderen aus dem
geistlichen Stande, die Weiber genommen und eine Lebensart ergriffen haben, von
der sich mehr Nutzen für den Nächsten und mehr Ehrbarkeit des Wandels, als von
der früheren, erwarten läßt. Endlich haben wir auch denjenigen, die bei uns im
Dienste des göttlichen Wortes geblieben sind, das Recht, sich zu verheirathen,
obgleich sie Keuschheit angelobt haben, aus den angeführten Gründen gestattet,
da der heilige Paulus, der ausgezeichnete Vertheidiger der wahren Keuschheit,
einen verheiratheten Bischof gelten läßt. Denn mit Recht haben wir allen
menschlichen Gesetzen dieß eine göttliche vorgezogen: Zur Vermeidung der
Hurerei soll ein Jeder sein Weib haben u.s.w. Weil dieß Gesetz so lange
verworfen war, so sind alle unerhörten Arten der Wollust (mit Züchten zu melden
vor Deiner geheiligten Majestät, Großer Kaiser) auf die gräulichste Art in den
geistlichen Stand eingedrungen, daß in diesem Betracht heut zu Tage keine
Menschenclasse verabscheuungswerther ist.
Cap. 13. Von dem Amte, der
Würde und der Macht der Kirchendiener.
Von dem Amte und der Würde
des geistlichen Standes wird bei uns gelehrt, zuerst, daß die Kirche keine
Macht habe, als zur Erbauung. Ferner, daß keiner dieses Standes für etwas
Anderes zu halten sei, als wofür sich Paulus, Petrus und Apollos und ähnliche
Personen wollten geachtet wissen, nämlich für Christi Diener und Haushalter
über Gottes Geheimnisse, von denen dieß insbesonder zu fordern sei, daß ein
Jeder treu erfunden werde. Diese haben die Schlüssel des Himmelreiches, zu
binden und zu lösen, die Macht, Sünde zu erlassen und zu behalten, jedoch so,
daß sie nichts sind, als Diener Christi, denen dieses Recht allein zusteht.
Denn wie er allein die Herzen erneuen kenn, so ist er es auch allein, der durch
seine Kraft den Menschen den Himmel aufschließt und sie von Sünden losspricht.
Beides wird uns nur dann zu Theil, wenn unser Herz erneuert wird, und unser
Bürgerrecht im Himmel ist.
Den Kirchendienern liegt ob,
mit dem Worte zu pflanzen und zu begießen; beides an sich richtet nichts auf;
der das Gedeihen giebt, ist Gott. Denn aus sich ist Niemand tüchtig, so etwas
zu denken, als aus sich; sondern daß Jemand dazu tüchtig ist, das ist von Gott,
der zu Dienern des neuen Bundes macht, welche er will, damit sie die Menschen von
Christo recht überzeugen und seiner wirklich theilhaft machen, und nicht den
todten Buchstaben, das ist, die Lehre, die nur von außen erschallte, das Gemüth
aber nicht ändert, sondern den Geist mittheilen, der lebendig macht und das
Herz bessert. So nur sind sie Mitarbeiter Gottes, thun wirklich den Himmel auf
und vergeben die Sünde. Daher geschah es, daß Christus, als er den Aposteln
diese Macht gab, sie anblies und sprach: Nehmet hin den heiligen Geist, und
dann erst hinzufügte: Welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen.
Deßhalb lehren wir, daß sie von Gott gesandt sind (denn wie sollen sie
predigen, wenn sie nicht gesandt werden?) d.h., die Fähigkeit und den Muth
empfangen haben, das Evangelium zu verkündigen und die Heerde Christi zu weiden,
wie auch den mitwirkenden, d.h. die Herzen überzeugenden Geist; das macht erst
tüchtige und recht gesalbte Kirchendiener, Bischöfe, Lehrer und Hirten. Die
übrigen Tugenden, mit denen Personen dieses Standes ausgerüstet sein müssen,
werden von dem heiligen Paulus aufgezählt.
Die nun, auf diese Weise
gesandt, gesalbt und ausgerüstet, die Heerde des Herrn fleißig warten, und sie
mit Treue und Sorgfalt weiden, halten wir für rechte Bischöfe, Priester und
Hirten, und halten sie zwiefacher Ehre werth, als deren Anordnungen jeder
Christ mit der größten Bereitwilligkeit annehmen muß. Die sich aber auf andere
Dinge legen, geben sich selbst eine andere Richtung und einen anderen Namen.
Doch muß Niemandes Leben
solchen Anstoß geben, daß, wenn er von Moses oder Christi Stuhl, d.h. aus dem
Gesetz oder dem Evangelium etwas redet, die Christen Bedenken haben könnten, es
anzunehmen. Bringen sie aber fremdartige Dinge vor, so geziemt es den Schafen
Christi, auf solche Stimmen nicht zu hören. Wer aber denen, die in weltlichen
Dingen Macht erhalten haben, nicht gehorchen wollte in solchen Angelegenheiten,
die mit den Geboten Gottes nicht streiten, der würde, weil diese Macht von Gott
geordnet ist, der göttlichen Ordnung widerstreben. Es ist demnach Verläumdung,
wenn Einige uns beschuldigen, daß wir die geistliche Gerichtsbarkeit
untergraben. Denn die weltliche Macht, welche sie etwa haben, ist von uns nie
bekämpft worden; der geistlichen aber, vermöge deren sie mit dem Worte Gottes
die Gewissen frei machen und mit dem Evangelium Christi treulich pflegen
sollen, haben wir uns so wenig widersetzt, daß wir sie vielmehr oft gefordert
haben. Daß wir aber die Lehre einiger Prediger nicht geduldet, und, wenn es
nöthig war, andere an ihre Stelle berufen, oder wenigstens solche, die durch
die bischöflichen Beamten abgesetzt waren, beibehalten haben, davon war die
Ursache, daß diese die Stimme unseres Hirten lauter verkündigten, jene die
Stimme Anderer. Denn wenn es auf die Sache des Evangeliums und die reine Lehre
ankommt, so müssen wir Alle, die wir in Wahrheit an Christum glauben, uns ganz
zu dem Bischof unsrer Seelen, Jesu Christo, bekehren, und auf die Stimme
Anderer durchaus nicht hören. Dadurch kann Niemandem Unrecht geschehen, wenn
anders wahr ist, was Paulus sagt: Es ist Alles euer, es sei Paulus oder Apollos
oder Kephas oder die Welt oder Leben oder Tod oder Gegenwärtiges oder
Zukünftiges; Alles ist euer; ihr aber seid Christi, Christus aber ist Gottes.
Wenn nun Petrus und Paulus mit der ganzen Welt immer noch unser sind, wir aber
keinesweges ihnen, sondern Christo gehören, und zwar so, wie er dem Vater,
nämlich, daß wir ihm ganz und gar leben, so wird, wenn wir dieß Alles als das
Unsere gebrauchen, keiner der Geistlichen mit Recht über uns klagen können, als
ob wir ihm nicht gehorchten, wenn es offenbar ist, daß wir Gottes Willen
befolgen. Das wird bei uns von der Pflicht, der Würde und dem Ansehen der
Kirchendiener gelehrt; es für wahr zu halten, haben uns die angeführten und
ähnliche Schriftstellen gelehrt.
Cap. 14. Von menschlichen
Ueberlieferungen.
Was ferner die
Ueberlieferungen der Väter und die heute von den Bischöfen und der Kirche
bestätigten betrifft, so ist dieß die Meinung der Unsern.
Sie zählen zu menschlichen
und zwar in der Schrift verworfenen Ueberlieferungen einzig und allein
diejenigen, die mit dem Gesetz Gottes streiten, z.B. die von Speise und Trank,
von der Zeit und von anderen äußeren Dingen, die das Gewissen binden, die den
Ehestand denen verbieten, welche dasselbe zu einem tugendhaften Leben bedürfen
u. dgl. m. Denn die mit der Schrift übereinstimmenden, die zur Beförderung
guter Sitten und zum Nutzen der Menschen angeordnet sind, wenn sie auch nicht
mit ausdrücklichen Worten in der Schrift enthalten sind, werden, weil sie aus
dem Gebot der Liebe fließen, die Alles gebührend anordnet, mit Recht eher für
göttlich, als für menschlich gehalten. Von der Art waren jene Vorschriften des
Paulus, daß die Frauen nicht mit entblößtem, die Männer nicht mit bedecktem
Haupte in der Gemeinde beten, daß die Communicanten auf einander warten, daß
die in fremden Sprachen Redenden es in der Gemeine nicht thun ohne Ausleger,
daß die Propheten ohne Verwirrung weissagen und die Zuhörer es beurtheilen
sollen.
Dergleichen beobachtet die
Kirche heutiges Tages viel mit Recht, und ordnet nach Gelegenheit Neues an. Wer
das verwirft, der verachtet nicht der Menschen, sondern Gottes Ansehen; denn
von ihm stammt jede nützliche Satzung her. Denn alles Wahre, was geredet oder
geschrieben wird, das wird als Gebot dessen geredet und geschrieben, der die
Wahrheit selbst ist, wie der fromme Ausspruch des heiligen Augustinus lautet.
Darüber aber wird oft
gestritten, welche Ueberlieferung nützlich sei, welche nicht, d.h., welche die
Frömmigkeit befördere oder hindere. Wer aber nicht das Seinige sucht, sondern
sich ganz der allgemeinen Wohlfahrt widmet, der wird ohne Mühe einsehen, ob
etwas dem göttlichen Gebote entspricht oder nicht. Da ferner die Angelegenheit
der Christen sich so verhält, daß ihnen auch das Unrecht Vortheil bringt, so
wird der Christ auch unbilligen Gesetzen unbedenklich gehorchen, wenn sie nur
nichts Gottloses gebieten, nach den Worten Christi: Wenn dich Jemand zwingt
Eine Meile, mit dem gehe zwei. So muß wirklich der Christ Allen Alles werden,
so, daß er Alles zu Nutz und Frommen der Menschen zu thun und zu leiden willig
sei, wenn es nur nicht wider Gottes Gebote streitet. Daher wird auch Jeder den
bürgerlichen Gesetzen, die mit der Gottesfurcht nicht streiten, um so
bereitwilliger gehorchen, je mehr er mit dem Glauben an Christum erfüllt ist.
Cap. 15. Von der Kirche.
Nun müssen wir noch erklären,
was wir von der Kirche und den Sacramenten denken. Die Kirche Christi also, die
zuweilen auch Himmelreich genannt wird, ist die Gesellschaft derer, die sich
als Christen bekennen und sich dem Glauben an ihn ganz und gar ergeben, denen
aber bis an das Ende der Welt solche beigemischt sein werden, die den Glauben
an Christum heucheln, aber nicht wirklich besitzen. Das hat der Herr sattsam
gelehrt in dem Gleichnisse vom Unkraut, von dem Netze, das ins Meer geworfen
wird, und faule Fische mit den guten heranzieht, von dem Könige, der zur
Hochzeit seines Sohnes Jedermann einladen, nachher aber den, der kein
hochzeitlich Kleid hatte, wieder hinauswerfen ließ; ferner, wenn die Kirche
Christi Braut genannt wird, für die er sich selbst hingegeben, sie zu heiligen;
ingleichen ein Haus Gottes, Pfeiler und Grundfeste der Wahrheit, Berg Zion,
Stadt des lebendigen Gottes, himmlisches Jerusalem, Gemeine der Erstgebornen,
die im Himmel angeschrieben sind. Dieses Lob kommt nur denen zu, die ernstlich
an Christum glauben und daher wahrhaftig zu den Kindern Gottes gehören. Da
unter diesen der Heiland wirklich regiert, so werden sie eigentlich seine
Kirche und die Gemeinschaft, d.i. die Gesellschaft der Heiligen genannt, wie
das Wort Kirche im apostolischen Glaubensbekenntnisse erklärt wird. Sie regiert
der heilige Geist, von ihr ist Christus nie fern, sondern er heiligt sie, so,
daß er sie sich selbst darstelle, als die keine Flecken noch Runzel hat; wer sie
nicht hören will, der soll für einen Heiden und Zöllner gehalten werden. Da
das, was sie eigentlich zur Kirche Christi macht, nämlich der Glaube an
Christum, unsichtbar ist, ist sie selbst unsichtbar, kann aber aus ihren
Früchten zur Genüge erkannt werden. Die vornehmsten dieser Früchte sind
muthiges Bekenntniß der Wahrheit, aufrichtige Liebe gegen Jedermann, und
muthige Verachtung aller Dinge um Christi willen. Dieß kann durchaus nicht
fehlen, wo man das Evangelium und die Sakramente rein erhält. Da nun auch die
Kirche das Reich Gottes ist, und Alles daher in derselben ordentlich zugehen
muß, so hat sie verschiedene Aemter für ihre Diener; denn sie ist ein aus
verschiedenen Gliedmaßen, deren jedes seine Geschäfte hat, zusammengesetzter
Leib. Wenn sie ihre dienste treulich verrichten, am Wort und in der Lehre
fleißig arbeitend, so stellen sie die Kirche wahrhaftig dar, und wer sie hört,
von dem kann man mit Recht sagen, er habe die Kirche gehört. Von welchem Geist
sie aber getrieben, und mit welchen Gaben sie ausgerüstet sein müssen, haben
wir oben erwähnt und Rechenschaft unseres Glaubens in dieser Sache gegeben, als
wir uns über unsren Glauben vom Dienst der Kirche erklärten. Denn wer da lehrt,
was mit den Geboten Christi streitet, der kann nicht die Kirche darstellen; es
kann aber geschehen und geschieht oft, daß auch Böse im Namen Christi weissagen
und die Meinung der Kirche aussprechen. Wer aber Dinge vorbringt, die der Lehre
Christi fremd sind, wenn er sich auch in der Kirche befindet, kann doch, weil er
von Vorurtheilen befangen und seine Stimme nicht die Stimme des Hirten ist, die
Braut Christi, die Kirche nicht darstellen. Darum muß man sie auch nicht in
seinem Namen hören. Einer fremden Stimme folgen die Schafe Christi nicht. Dieß
ist unsre Lehre von der Kirche, die auf den angeführten und ähnlichen Stellen
beruht.
Cap. 16. Von den Sacramenten.
Weil ferner die Kirche
hienieden im Fleische ist, obgleich sie nicht nach dem Fleische wandelt, so hat
es dem Herrn gefallen, sie auch durch das äußere Wort zu belehren, zu erinnern
und zu ermahnen, und damit dieß desto bequemer geschehe, hat er auch gewollt,
daß die Seinen eine äußere Gesellschaft unter sich halten sollten. Deßhalb hat
er ihnen auch die heiligen Zeichen gegeben, die wir Sakramente nennen, unter
denen die vorzüglichsten die Taufe und das Abendmahl sind. Diese, glauben wir,
sind von den Alten Sacramente genannt worden, nicht bloß, weil sie sichtbare
Zeichen der unsichtbaren Gnade sind, wie der heilige Augustinus sich ausdrückt,
sondern auch, weil durch sie gleichsam ein Glaubensbekenntniß abgelegt wird.
Cap. 17. Von der Taufe.
Von der Taufe also bekennen
wir, was die heilige Schrift an verschiedenen Stellen davon lehrt, daß wir
durch dieselbe begraben werden in den Tod Christi, zu Einem Leibe verbunden,
Christum anziehen, daß sie sei ein Bad der Wiedergeburt, die Sünde abwasche,
und uns selig mache.
Dieß Alles verstehen wir aber
so, wie der heilige Petrus es erklärt, indem er spricht: Mit diesem Vorbild
stimmt die Taufe überein, und macht auch uns selig; sie ist nicht das Abthun
des Unflathes vom Fleisch, sondern das Bekenntniß eines guten Gewissens vor
Gott. Denn ohne Glauben ist es unmöglich, Gott zu gefallen, und wir werden aus
Gnaden selig, nicht durch unsre Werke. Da aber die Taufe ein Sacrament des
Bundes ist, den Gott mit den Seinigen schließt, indem er verheißt, er wolle ihr
und ihrer Nachkommen Beschützer sein, und sie für sein Volk halten; da sie
überdieß ein Zeichen der Erneuerung des Geistes ist, die durch Christum
geschieht, so lehren wir, daß sie auch den Kindern mitzutheilen sei, aber so,
wie sie ehemals unter Moses beschnitten wurden. Denn wir sind in Wahrheit Adams
Kinder. Darum bezieht sich jene Verheißung eben sowohl auf uns, als auf die
Alten: Ich werde dein und deines Samens Gott sein.
Cap. 18. Vom Abendmahl.
Von diesem hochwürdigen
Sacrament des Leibes und Blutes Christi wird das, was die Evangelisten, Paulus
und die heiligen Väter in ihren Schriften hinterlassen haben, bei uns mit aller
Treue gelehrt, empfohlen und eingeprägt. Daher verkündigen die Unsren mit
besonderem Eifer die Güte Christi gegen die Seinen, nach welcher er nicht
weniger heute, als bei jenem letzten Abendmahl, allen, die sich von Herzen zu
seinen Schülern bekennen, seinen wahren Leib und sein wahres Blut, wirklich zu
essen und zu trinken, zur Speise und zum Trank für die Seelen, wodurch sie zum
ewigen Leben genährt werden, im Sacramente gnadenvoll dargereicht, so, daß er
in ihnen und sie in ihm leben und bleiben, und am jüngsten Tage zu einem neuen
und ewigen Leben von ihm erweckt werden, nach seinem ewig wahren Worte: Nehmet
und esset, das ist mein Leib, trinket Alle daraus, dieser Kelch ist mein Blut
rc. Mit vorzüglichem Fleiß führen unsre Prediger die Herzen des Volkes von
allem Streit und unnützen, vorwitzigen Untersuchungen auf das zurück, was
allein nützt, und von Christo, unsrem Erlöser allein bezweckt ist, daß wir, von
ihm gespeiset, in ihm und durch ihn leben, ein Gott gefälliges, heiliges und
deshalb ewiges und seliges Leben, und Alle Ein Brot, Ein Leib seien, da wir
Eines Brotes im Abendmahl theilhaft werden. Daher kommt es, daß das göttliche
Sacrament im heiligen Abendmahl mit der größten Andacht und besonderer
Ehrerbietung verwaltet und empfangen wird.
Aus dem, was sich wirklich so
verhält, ersieht Deine geheiligte Majestät, Allergnädigster Kaiser, wie nunmehr
unsre Widersacher verbreiten, daß die Unsren Christi Worte verändern und durch
menschliche Auslegungen entstellen, und daß nichts als blos Brot und Wein bei
unsrem Abendmahl ausgetheilt, mithin das Abendmahl des Herrn selbst von uns
verachtet und verworfen werde. Denn bei uns wird immer mit dem höchsten Eifer
gelehrt und ermahnt, daß Jeder bei einfältigem Glauben, mit Beseitigung aller
menschlichen Erdichtungen und falschen Erklärungen die Worte des Herrn ergreife
und dem, was sie sagen, sein Gemüth ohne allen Zweifel öffne, und die
Sacramente selbst zur belebenden Nahrung für die Seele und zur dankbaren
Erwägung einer so großen Wohlthat, und mit aller Andacht empfange. Dieß pflegt
auch bei uns jetzt viel häufiger und andächtiger zu geschehen, als vormals.
Zugleich aber haben sich unsre Prediger bisher immer erboten, und erbieten sich
heute noch, mit aller Bescheidenheit und Wahrheit Rechenschaft von ihrem
Glauben und ihrer Lehre zu geben, über Alles, was sie in Ansehung dieses
Sacraments, als sonst glauben und lehren, und zwar nicht allein Deiner
geheiligten Majestät, sondern einem Jeden, der es verlangt.
Cap. 19. Von der Messe.
Da nun Christus sein
Abendmahl, das man nachher angefangen hat Messe zu nennen, also eingesetzt, daß
nämlich in demselben die Gläubigen mit seinem Leibe und Blut zum ewigen Leben
genährt, seinen Tod, durch den sie erlöset sind, verkündigen, ihm auf diese
Weise danken, und solches Heil auch Anderen empfehlen; so haben unsre Prediger
nicht umhin gekonnt, es für verwerflich zu erklären, daß man dieß hin und
wieder vernachlässigt, und daß diejenigen, welche die Messe halten, Christum
dem Vater als Opfer für Lebende und Verstorbene darzubringen sich bereden, und
die Messe zu einem solchen Werke machen, wodurch fast einzig und allein die
Gnade Gottes und die Seligkeit erworben werde, die Menschen mögen sonst glauben
und leben, wie sie wollen. Daher hat sich auch der schändliche und im höchsten
Grade gottlose Handel mit diesem Heiligthum eingeschlichen, und es ist dahin
gekommen, daß heutiges Tages nichts einträglicher ist, als die Messe.
Die Unsern haben daher die
stillen Messen verworfen, weil der Herr dieß Sacrament für seine Jünger in
Gemeinschaft anordnete. Daher gebietet auch Paulus den Corinthern, daß Einer
auf den andern beim heiligen Abendmahl warte, und erklärt, daß sie das
Abendmahl des Herrn nicht begehen, wenn Jeder sein eigenes Mahl bei Tische zu
sich nimmt. Wenn ferner Jene vorgeben, daß sie Christum als ein Opfer darbringen,
so haben das die Unsern verworfen, weil der Brief an die Hebräer deutlich
bezeugt, wie die Menschen Ein Mal sterben, so sei Christus Ein Mal geopfert, um
die Sünden Vieler hinwegzunehmen; er könne so wenig noch ein Mal geopfert
werden, als noch ein Mal sterben; und da er das alleinige vollkommene Opfer für
die Sünden sei, sitze er auch immerfort zur Rechten Gottes und warte auf das,
was noch übrig ist, daß seine Feinde gelegt werden zum Schemel seiner Füße;
denn durch Ein Opfer hat in Ewigkeit vollendet Alle, die geheiligt werden. Wenn
sie aber aus der Messe ein gutes Werk gemacht haben, wodurch man Alles von Gott
erlangen könne, so lehren die Unsern, damit streite, daß die Schrift
allenthalben behauptet, wir würden durch den Geist Christi und den Glauben
gerecht und der Gnade Gottes theilhaft, worüber die Zeugnisse der Schrift oben
angeführt sind. Daß ferner der Tod Christi in der Messe nicht verkündigt wird,
davon haben die Unsrigen nachgewiesen, daß es zuwider sei dem Befehl Christi,
das Sacrament zu empfangen zu seinem Gedächtniß, und der Ermahnung Pauli, des
Herren Tod zu verkündigen, bis er kommt.
Daß aber jetzt von Vielen,
ohne allen frommen Sinn, blos um den leib zu nähren, Messe gelesen wird,
erklären die Unsern für so verwerflich vor Gott, daß, wenn die Messe an sich
nicht mit der Gottesfurcht stritte, sie doch mit Recht und nach göttlichem
Befehl abzuschaffen wäre. Das kann man schon allein aus dem Jesaias erkennen.
Denn unser Gott ist Geist und Wahrheit, und daher will er nur im Geist und in
der Wahrheit verehrt werden. Wie mißfällig aber dem Herrn jene unziemliche
Krämerei ist, die sich bei diesem Sacrament eingeschlichen hat, das könne man,
lehren die Unsern, schon daraus abnehmen, daß Christus mit solcher Strenge und
ganz gegen seine Gewohnheit gewaltsam die Verkäufer und Käufer aus dem Tempel
jagte, da es doch schien, als trieben sie ihren Handel nur um der
Herbeischaffung der Opfer willen, die nach dem Gesetz dargebracht wurden.
Da nun die Messe, wie sie
gefeiert zu werden pflegt, auf so vielfache Weise der Schrift zuwider ist, wie
sie auch in jeder Hinsicht abweicht von dem, was die heiligen Väter beobachtet
haben, ist sie bei uns sehr nachdrücklich von der Kanzel verworfen, und durch
Gottes Wort als so verdammlich dargestellt, daß Viele sie freiwillig
aufgegeben, Andere sie auf Befehl der Obrigkeit abgeschafft haben. Das haben
wir uns aus keiner anderen Ursache erlaubt, als weil in der ganzen Schrift der
Geist Gottes nichts so sehr verdammt und ernstlich abzustellen gebietet, als
einen ersonnenen und falschen Gottesdienst. Nun weiß ein Jeder, der nicht ganz
ohne Religion ist, welch eine unumgängliche Verpflichtung auf dem
Gottesfürchtigen ruht, sobald er überzeugt ist, daß Gott etwas fordere. Denn
wie Viele es aufnehmen würden, wenn wir in Ansehung des Gebrauches der heiligen
Messe eine Neuerung aufbrächten, war wohl vorauszusehen, und Jeder hätte es
lieber vermieden, hierin Deiner geheiligten Majestät, ja, auch nur den
kleinsten Fürsten anstößig zu werden. Aber da man auch nicht zweifelte, daß
durch jenen Gebrauch der Messe Gott höchlich erzürnt, und seine Ehre, für die
man auch das Leben hingeben soll, verdunkelt werde, mußte man ihn abschaffen,
um nicht durch Nachsicht selbst der verletzten Ehre Gottes schuldig zu werden.
Wenn Gott über Alles geliebt und verehrt worden ist, so können die Frommen
nichts weniger dulden, als was er verabscheut. Daß aber diese einzige Ursache
uns gezwungen habe, in diesem Punkt eine Veränderung zu wagen, darüber rufen
wir den zum Zeugen an, vor dem nichts geheim und verborgen ist.
Cap. 20. Von der Beichte.
Da aber auch das Bekenntniß
der Sünden, das aus Frömmigkeit geschieht, von Niemand abgelegt werden kann,
den dazu nicht Reue und wahre Betrübniß der Seele treibt, so kann man nicht
durch ein Gebot dazu gezwungen werden. Darum haben auch weder Christus selbst,
noch die Apostel selbst es gebieten wollen. Aus dieser Ursache ermahnen unsre
Prediger, die Sünden zu bekennen, und zeigen, wie nützlich es sei, wenn Jemand
bei einem christlichen und verständigen Mann im Stillen Trost, Rath, Belehrung
und Ermunterung sucht, aber durch Gebote nöthigen sie Niemand dazu, sondern
behaupten, daß solche Gebote der Gottseligkeit Eintrag thun. Denn die
Verordnung, daß man dem Priester die Sünden beichten müsse, hat unzählige Seelen
in schwere Verzweiflung getrieben, und bringt so manche Nachtheile, daß sie
längst hätte abgeschafft werden müssen, und ohne Zweifel wäre abgeschafft
worden, wenn die Vorsteher der Kirchen in den letzten Jahrhunderten von
demselben Eifer wären erfüllt gewesen, wie der heilige Nestorius,
Bischof von Constantinopel2), der die Ohrenbeichte in seiner Kirche
abschaffte, weil eine vornehme Frau, die häufig das Gotteshaus besuchte, als
wollte sie dem Bußwerk obliegen, eines verbotenen Umgangs mit dem Diaconus
überführt wurde. Dergleichen unzählige Verbrechen sind an verschiedenen Orten
begangen worden.
Ueberdieß verlangen die
päpstlichen Gesetze, daß der, welcher Beichte hören und verrichten soll, so
heilig, gelehrt, verständig und mitleidig sei, daß die Wenigsten einen solchen
Beichtiger finden können, besonders unter denen, die gewöhnlich zum Beichthören
angestellt werden. Auch sind die Lehrer der Theologie der Meinung, es sei
besser, einem Laien zu beichten, als einem Priester, von dem man keine Erbauung
zur Gottseligkeit erwarten dürfe. Kurz, eine Beichte, die nicht durch
ernstliche Reue und wahren Seelenschmerz über die Sünden bewirkt wird, bringt
mehr Schaden, als Nutzen. Da nun Gott allein geben kann, daß wir die Sünden
bereuen und wahrhaft Schmerz darüber empfinden, sie begangen zu haben, so kann
in dieser Angelegenheit nichts Heilsames durch Gebote ausgerichtet werden, wie
die Erfahrung bisher mehr als genug an den Tag gelegt hat.
Cap. 21. Von den Gesängen und
Gebeten der Geistlichen.
Aus derselben Ursache aber,
damit nicht das, was vergeblich etwas Gottesdienstliches sein soll, zu einer
Beleidigung Gottes werde, und zwar zu der allergrößten, geduldet werde, haben
die Unsern in den Gesängen und Gebeten der Geistlichen Vieles verworfen. Denn
es ist allbekannt, daß man von der ersten Einsetzung und dem Gebrauch der Väter
abgewichen ist. Denn Niemandem, der die Schriften der Alten gelesen hat, ist es
unbekannt, daß sie die Gewohnheit hatten, einige wenige Psalmen und ein Capitel
der Schrift mit Nachdruck vorzulesen und zugleich zu erklären, da jetzt viele
Psalmen, aber fast ohne Gedanken, abgesungen werden, aus der Lesung der Schrift
aber nur die Anfänge der Capitel übrig geblieben sind, vielerlei aber dafür
aufgenommen ist, was mehr zum Aberglauben führt, als zur Frömmigkeit. Zuerst
also haben die Unsren es als verabscheuungswürdig betrachtet, daß den Gebeten
und Gesängen nicht Weniges beigemischt worden, was der Schrift widerspricht,
worin den Heiligen zugeschrieben wird, was allein Christo zukommt, nämlich
Befreiung von Sünden und anderen Uebeln, und das Vermögen, die Gnade Gottes und
alle Arten von Gütern nicht sowohl zu erbitten, als vielmehr zu schenken. Ferner,
daß ihrer eine zu große Menge geworden ist, um mit andächtigem Gemüth
abgesungen oder hergesagt zu werden; wenn man aber ohne Gedanken zu Gott redet,
so ist es nichts, als Gespött. Endlich, daß man daraus verdienstliche Werke
gemacht hat, die theuer verkauft werden, zu geschweigen, daß gegen das
ausdrückliche Gebot des heiligen Geistes in der Schrift dabei Alles in einer
Sprache geredet und gesungen wird, welche nicht nur das Volk nicht versteht,
sondern zuweilen auch die nicht einmal, die von jenen Gebeten und Gesängen
leben.
Cap. 22. Von Bildsäulen und
Gemälden.
Auch gegen Bildsäulen und
Gemälde haben die Unsern in Predigten geeifert, besonders darum, weil man
angefangen hat, sie öffentlich zu verehren und anzubeten, und vergebliche
Kosten darauf zu verwenden, die man dem hungrigen und durstenden und nackten
Christus schuldig war, und weil man durch solche Verehrung und diese Kosten,
obgleich beides mit dem Worte Gottes streitet, ein Verdienst vor Gott suchte.
Diesem Mißbrauch der Religion
hat man auch das Ansehen der alten Kirche entgegengesetzt, der es ein Gräuel
war, ein gemaltes oder geschnitztes Bild im Gotteshause zu sehen, wie es
hinlänglich bewiesen wird durch eine That, welche Epiphanius, der Bischof zu
Salamis in Cypern, von sich selbst erzählt. Als er das Bild Christi oder eines
Heiligen, (dessen erinnerte er sich nicht mehr genau,) auf einem Vorhang in
einer Kirche erblickte, ward er darüber so aufgebracht, gegen das Ansehen der
Schrift und unsrer Religion das Bild eines Menschen in der Kirche hängen zu
sehen, daß er den Vorhang sogleich zerriß und die Leiche eines Armen in
denselben zu wickeln befahl. Den Brief, worin dieser Gottesmann das von sich
selbst bezeugt, und der an Johannes, Bischof von Jerusalem, gerichtet ist, hat
der heilige Hieronymus als rechtgläubig ins Lateinische übersetzt und auch
nicht mit einem Worte dieses Urtheil des Epiphanius von Bildern als unrichtig
getadelt. Hieraus kann man hinreichend schließen, daß weder der heilige
Hieronymus, noch der Bischof von Jerusalem andrer Meinung von Bildern gewesen
sind.
Denn was man zu sagen pflegt,
daß durch Bildsäulen und Gemälde die Ungebildeten belehrt und erinnert werden,
das ist kein hinreichender Grund, Gemälde und Bildsäulen zu dulden, zumal, wenn
das Volk sie anbetet. Das alte Volk war ungebildeter, so, daß es mit mancherlei
Ceremonien unterwiesen werden mußte; allein daß Bilder zur Belehrung und
Ermunterung der Ungebildeten dienen sollten, hat Gott so wenig anerkannt, daß
Gott vor allen Dingen verbot, dergleichen zu haben. Wollte man sagen, Gott habe
Bilder verboten, die man anbete; so folgt eben daraus, daß, weil man vorlängst
angefangen hat, sie alle anzubeten, des Anstoßes wegen alle aus den
Gotteshäusern weggeschafft werden müßten. Denn in der Kirche muß Alles zur
gewissen Erbauung angeordnet sein; am wenigsten darf man etwas dulden, das zum
Falle dienen und keinen Nutzen schaffen könnte.
Wenn man einwirft, daß sie
zur Erinnerung dienen, so antwortet der heilige Athanasius, indem er die Heiden
widerlegt, die durch denselben Vorwand ihre Götzen vertheidigten: Sie mögen
doch sagen, wie Gott durch Bilder erkannt wird, ob durch den Stoff, aus dem sie
bestehen, oder durch die Form, die man dem Stoffe gegeben hat. Geschieht es
durch den Stoff, wozu ist dann die Form nöthig, da, noch ehe sie gebildet ward,
Gott aus dem Stoffe zu erkennen war, indem alles von seiner Herrlichkeit zeugt?
Ist aber die dem Stoffe gegebene Form die Ursache der Erkenntniß Gottes, was
bedarf es dann der Malerei und des Stoffes überhaupt, und wird Gott nicht weit
besser aus den Geschöpfen, deren formen die Bilder sind, erkannt werden? Denn
in der That, Gottes Herrlichkeit muß sich deutlicher offenbaren, wenn sie aus
lebenden Wesen, vernünftigen und vernunftlosen hervorstrahlt, als auch solchen,
die weder Leben, noch Bewegung haben. Wenn ihr also zur Beförderung der
Gotteserkenntniß Bilder schnitzet oder malet, so ist es etwas ganz Unwürdiges,
was ihr thut. So Athanasius. Lactantius sagt auch Vieles gegen diesen Vorwand.
Denn dem, der fruchtbar an Gott erinnert werden kann, dienen außer dem Worte
der Ermahnung viel wirksamer dazu die wirklichen und lebenden Werke Gottes, als
jene leeren, von Menschen verfertigten Bilder.
Da nun Gott sein Urtheil über
die Bilder in so vielen Stellen der Schrift sattsam bezeugt hat, so geziemt es
uns Menschen nicht, von ihnen Nutzen zu erwarten, da Gott sie als gefährlich zu
meiden befohlen hat, besonders, da wir selbst erfahren haben, wie hinderlich
sie der Frömmigkeit sind. Den Gebrauch der Bilder an sich erklären zwar auch die
Unsrigen für erlaubt, allein ein Christ hat zu untersuchen, was nützt und
erbaut, und sich der Bilder da und so zu bedienen, daß sie Niemandem zum Anstoß
gereichen. Paulus war bereit, sich den Genuß des Fleisches und des Weines zu
versagen, wenn er einsähe, daß dieß auf irgend eine Weise der Wohlfahrt Anderer
nachtheilig würde.
Cap. 23. Von der Obrigkeit.
Wir haben oben gezeigt, daß
unsre Prediger den Gehorsam gegen die Obrigkeit unter die vornehmsten guten
Werke zählen, und lehren, daß Jeder sich um so mehr befleißigen müsse, die
öffentlichen Gesetze zu befolgen, je rechtschaffener und gläubiger er in seinem
Christenthum sei. Sie lehren ferner, daß das Amt der obrigkeitlichen Personen
ein so heiliges sei, wie nur eins von Gott den Menschen übertragen werden
könne. Daher werden auch die, welche regieren, in der Schrift Götter genannt.
Denn wenn sie ihr amt gehörig und ordentlich verwalten, so steht es um die
Lehre und das Leben im Volke wohl; denn Gott pflegt unsre Angelegenheiten so zu
ordnen, daß die Wohlfahrt und das Verderben der Unterthanen großen Theils von
denen abhängt, die an der Spitze stehen. Daher werden obrigkeitliche Aemter von
den besten und frömmsten Christen am würdigsten verwaltet. Daher haben die
frömmsten Kaiser und Könige Bischöfe und andere geistliche Personen zu
weltlichen Verwaltungszweigen zugezogen. Sie haben darin zwar verständig und
gottesfürchtig gehandelt, aber es ist doch darin gefehlt worden, weil jene zur
würdigen Verwaltung beider Aemter nicht geschickt sein konnten, und daher
entweder bei der Leitung der Kirche in der Predigt des Wortes, oder bei der
Verwaltung des gemeinen Wesens im Regiment zu wenig thaten.
Beschluß.
Das sind die Hauptpunkte,
Allesunüberwindlichster und Gottseligster Kaiser, worin die Unsrigen, durch das
ansehen der Schrift allein bewogen, die mit Recht allen anderen
Ueberlieferungen vorzuziehen ist, von der allgemeinen Kirchenlehre abweichen.
Das haben wir Deiner geheiligten Majestät, wie es die kürze der Zeit erlaubte,
auseinandergesetzt, in der Absicht, Dir, den wir nächst Gott vor Allen
verehren, von unsrem Glauben Rechenschaft zu geben, und zugleich zu zeigen,
bald und ernstlich zu berathen, wie eine Sache von so großer Wichtigkeit
erkannt, erwogen und entschieden werden muß, wie es zuerst die Verehrung
Gottes, eine Angelegenheit, die man alle Zeit mit Furcht und Zittern behandeln
muß, fordert, wie es ferner Deiner geheiligten Majestät geziemt, der Du wegen
Deiner Frömmigkeit und Huld so hoch gerühmt wirst, wie es endlich der sichere
und dauerhafte Friede verlangt, nach dem Deine geheiligte Majestät strebt, der
aber, da es sich um Glauben und Frömmigkeit handelt, anders nicht erlangt
werden kann, als wenn die Gemüther vor allen Dingen von der Wahrheit wohl
unterrichtet sind.
Es wäre vielleicht nicht nöthig
gewesen, über diesen Gegenstand so ausführlich zu sein, da der Durchlauchtigste
Kurfürst von Sachsen und Andere Deiner geheiligten Majestät umständlich und
gründlich dargelegt haben, was in unsrer heiligen Religion heutigen Tages
streitig ist3). Allein da Deine geheiligte Majestät
verlangt hat, daß Alle, denen an dieser Sache gelegen, ihre Meinung vortragen
sollten; so haben wir es auch für unsre Schuldigkeit gehalten, Deiner
geheiligten Majestät das Bekenntniß dessen, was bei uns gelehrt wird,
vorzutragen. Doch diese Sache ist so umfassend, und begreift so viel in sich,
daß auch dasjenige, was wir in Beziehung auf beide Theile auseinander gesetzt
haben, zu kurz und gedrängt abgefaßt ist, als daß wir hoffen dürften, es werde
schon jetzt in diesen Streitigkeiten ein sicheres Urtheil gefällt werden
können, das, wenn auch nicht bei Allen, doch bei einer großen Zahl der Glieder
der Christenheit Beifall fände. Denn nur Wenige sind, die der Wahrheit
huldigen.
Da nun diese Angelegenheit so
wichtig ist und so Vieles und Verschiedenes betrifft, und nicht mit Nutzen
entschieden werden kann, bevor sie von Vielen geprüft und erforscht ist, so
bitten wir Deine geheiligte Majestät und flehen sie aufs demüthigste an um
Gottes und unseres Heilandes willen, dessen Verherrlichung Du gewiß vor allen
Dingen suchst, daß Du eine allgemeine, freie und wahrhaft christliche
Kirchenversammlung so bald als möglich berufen lassest, welches zur Beilegung
der kirchlichen Angelegenheit Deiner geheiligten Majestät sowohl, wie anderen
Fürsten des heiligen römischen Reichs bisher so nöthig geschienen, daß beinahe
in allen Reichsversammlungen, die nach diesem in der Religion erhobenen
Zwiespalt gehalten sind, die Commissarien Deiner geheiligten Majestät und
anderer Fürsten des Reiches öffentlich bezeugt haben, daß auf keine andere
Weise das, was in dieser Sache heilsam ist, zu Stande gebracht werden könne.
Daher hat auch auf dem letztem Reichstag zu Speier Deine geheiligte Majestät
Hoffnung erweckt, der römische Bischof werden nicht dawider sein, daß bald eine
solche Kirchenversammlung gehalten werde.
Sollte sich aber in Zeiten
die Gelegenheit zu solch einer allgemeinen Kirchenversammlung nicht finden, so
wolle Deine geheiligte Majestät eine sogenannte Provinzialkirchenversammlung
der Lehrer jedes Standes und Ranges veranstalten, bei der sich Alle, deren
Anwesenheit zu wünschen ist, frei und sicher einfinden können, jeder Einzelne
gehört wird, und Männer von bekannter Gottesfurcht, die nichts höher halten,
als seine Ehre, Alles erwägen und richten. Denn es ist weltbekannt, mit welcher
Sorgfalt sowohl die Kaiser, als die Bischöfe bei der Entscheidung über
Streitigkeiten in Sachen des Glaubens verfuhren, obgleich sie oft von weit
geringerer Bedeutung waren, als die, welche jetzt Deutschland bewegen, wie sie
es keineswegs ihrer unwürdig hielten, denselben Gegenstand zum zweiten und
dritten Mal zu untersuchen. Wer den gegenwärtigen Zustand der Dinge beachtet,
der wird nicht zweifeln können, daß jetzt mehr Redlichkeit, Ernst, Milde und
Geschickt gefordert werde, als jemals zuvor, um das wahre Christenthum wieder
herzustellen. Ist die Wahrheit auf unsrer Seite, wie wir mit Zuversicht
glauben, wie viel Zeit und Mühe wird es kosten, daß auch diejenigen sie
erkennen, ohne deren Beistimmung oder wenigstens Duldung ein sicherer Friede
nicht zu Stande kommen kann! Wenn wir aber irren, (und das Gegentheil ist uns
nicht zweifelhaft,) so wird ebenfalls nicht geringe Sorgfalt und nicht kurze
Zeit erforderlich sein, daß so viele tausend Menschen wieder auf den rechten
Weg gebracht werden. Diese Sorgfalt und diese Zeit darauf zu verwenden, wird
nicht mit der Würde Deiner geheiligten Majestät im Widerspruch sein, da es billig
ist, daß Du gegen uns die Gesinnung Jesu Christi hegest, der unser Aller
Erlöser ist und an dessen Stelle Du uns regierst. Da er in der Absicht gekommen
ist, das Verlorene zu suchen und selig zu machen, selbst zur Errettung der
Verlorenen den Tod zu leiden, so wird Deine geheiligte Majestät auch bei der
Voraussetzung, daß wir von der Wahrheit gewichen wären, doch unbedenklich neun
und neunzig Schafe in der Wüste lassen und das hundertste suchen und in den
Schafstall Christi zurückführen, das heißt, alles Andere dieser Aufgabe
nachsetzen, daß uns wenigen und geringen Leuten die Meinung Christi von alle
dem, worüber jetzt gestritten wird, aus der Schrift klar und gewiß gemacht
werde.
Wir an unserm Theil werden
gelehrig sein, ferne von aller Hartnäckigkeit, wenn wir nur die Stimme unsres
Hirten Jesu Christi hören, und Alles, was man von uns verlangt, auf die
Schrift, die Alles, was gut ist, lehrt, gebaut wird. Denn wenn es geschähe, daß
man nicht daran dächte, für unsre Belehrung Sorge zu tragen, sondern mit Edicten
gegen uns verführe, (was wir jedoch nicht fürchten, so lange die Angelegenheit
in den Händen Deiner geheiligten Majestät ruht,) so würden viele tausend
Menschen in unaussprechliche angst gerathen, die bei der Ueberzeugung, man
müsse zuerst Gott gehorchen, die Lehren aber, denen sie folgen, seien auf
unbezweifelt göttliche Aussprüche gegründet, über die Worte des Erlösers
erschrecken würden: Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib tödten; wer
sein Leben verliert, wird es finden; wer nicht Vater und Mutter rc., ja, sein
eignes Leben haßt, der kann nicht mein Jünger sein; wer sich meiner schämt vor
diesem verkehrten und ehebrecherischen Geschlecht, dessen werde ich mich auch
schämen vor meinem Vater und seinen Engeln, und dergleichen mehr. Von dieser
Donnerstimme erschüttert, würden Viele muthig das Aeußerste dulden; Manche
würde die Todesfurcht zwar verzagt machen, wenn in dieser Sache nicht
Belehrung, sondern ein Befehl, nicht Anzeige des Irrthums, sondern Gewalt
angewandt würde, doch nur auf einige Zeit. Denn was eine feste Ueberzeugung in
der Religion vermag, und wie sie nicht nur Hab und Gut, sondern das Leben
selbst geringschätzen lehrt, das hat man in diesem jahrzehend (um früherer
Jahrhunderte nicht zu gedenken) aufs deutlichste an Vielen gesehen, die nicht
nur Landesverweisung und Acht, sondern auch Fesseln, Martern und sogar den Tod
eher erduldeten, als daß sie von der gefaßten Meinung, die sie für wahr
hielten, sich losreißen ließen. Wenn schon bei einem Streite über geringfügige
Dinge Wenige sich finden, die man zu einer völligen Uebereinstimmung bringen
könnte, ohne sie zu überzeugen, daß die Bedingungen gerecht und billig sind,
wie könnte man denn, wenn der Gegenstand der Uneinigkeit die Religion ist,
einen wahren Frieden und eine sichere Beruhigung erwarten, wie Deine geheiligte
Majestät stiften will, wenn nicht auf beiden Seiten festgesetzt wird, was Gott
wohlgefällt und was mit der Schrift übereinstimmt? Denn so wie nach dem Recht
und der Sitte aller Völker die Religion allen anderen Dingen vorgezogen wird,
so pflegt auch kein Kampf unter den Sterblichen heftiger und härter zu sein,
als der für die Altäre und Götter. Da aber Deine geheiligte Majestät gegen
Deine Feinde, und zwar gegen solche, die (anderer Dinge zu geschweigen) jede
Art der Feindseligkeit geübt haben, so unaussprechliche Milde bewiesen hat, so
hegen wir billig die Hoffnung, Du werdest auch in dieser Angelegenheit Alles so
leiten, daß man erkenne, Du seiest gegen uns, denen Deine Wohlfahrt und Ehre
stets am Herzen gelegen, wie wir durch die That bewiesen haben und künftig zu
beweisen sehnlich wünschen, Deine Güte und Leutseligkeit in noch reicherem Maße
zu beweisen beflissen. Denn wir haben in dieser Sache Alles so eingerichtet,
daß es allen Rechtschaffenen hat klar werden müssen, wie es uns nie in den Sinn
gekommen ist, Jemand zu verletzen oder unseren Vortheil mit dem Schaden Anderer
zu erkaufen. Wir sind in der That in dieser Sache Gefahr gelaufen, und haben
viele Kosten gehabt, aber nicht den geringsten Gewinn, Das Eine ausgenommen,
daß wir über die Gnade, welche Gott uns in Christo darbietet, besser belehrt
sind und durch Gottes Gnade auf die Zukunft zuversichtlicher zu hoffen
angefangen haben. Das aber gilt uns mit Recht so viel, daß wir, da es
unschätzbar und Allem, was im Himmel und auf Erden ist, weit vorgezogen werden
muß, noch nichts gethan und gelitten zu haben glauben, was dessen würdig
gewesen wäre. Nach den Kirchengütern hat uns so wenig verlangt, daß wir bei dem
Aufstande der Bauern sie sogar mit großen Kosten und Gefahren vertheidigt
haben. Das Evangelium unseres Herrn Jesu Christi ist, so wahr er uns liebt, das
Einzige, was uns antreibt und uns zu den anscheinenden Neuerungen bewogen hat.
Möge daher Deine geheiligte Majestät dem Beispiel der mächtigsten und glücklichsten
Kaiser, Constantin, Jovinian, Theodosius und die ihnen ähnlich waren, folgen,
die durch Belehrung, welche täglich von den heiligsten und wachsamsten
Bischöfen mit aller Sanftmuth ertheilt wurden, sodann durch ordentliche
Berufung von Kirchenversammlungen und gründliche Erwägung aller Stücke, auf die
Irrenden wirkten und Alles versuchten, sie auf den rechten Weg zurückzubringen,
ehe sie mit Strenge gegen sie verfuhren, und nicht dem Beispiel derer, von
denen es bekannt ist, daß sie Rathgeber hatten, jenen alten und wahrhaft
heiligen Vätern ganz unähnlich, weßhalb ihre Bestrebungen auch einen der
Frömmigkeit jener nicht entsprechenden Erfolg haben mußten. Davon wolle Deine
geheiligte Majestät sich nicht durch die Behauptung abwenden lassen, das Meiste
von dem, worüber jetzt gestritten werde, sei schon früher, besonders auf der
Kirchenversammlung in Kostnitz, entschieden; denn du siehst, daß die
Geistlichen von unzähligen ebenso heiligen, als nothwendigen Beschlüssen
früherer Kirchenversammlungen nicht das Geringste halten, und daß bei ihnen
Alles so ausgeartet ist, daß Jeder, der nur gesunden Menschenverstand hat, zur
Wiederherstellung der Religion und der Würde des geistlichen Standes eine
Kirchenversammlung für durchaus nöthig erklärt. Wenn Jenen aber das, was zu
Kostnitz festgesetzt ist, so gefällt, wie ist es denn zugegangen, daß man
unterdessen auf keine Weise hat erlangen können, was doch damals beschlossen
ward, daß alle zehn Jahre christliche Kirchenversammlungen gehalten werden
sollten? Denn auf diesem Wege hätte viel zur Wiederherstellung oder zur
Erhaltung der Gottseligkeit und des Glaubens geschehen können.
Aber wer wollte in Abrede
stellen, daß, so oft die Krankheit ausbricht, auch das Mittel angewandt werden
müsse, und daß die, welche wirklich im Besitze der Wahrheit sind, nie Bedenken
tragen können, sie den Guten vorzutragen und gegen die Bösen sie zu
vertheidigen, wo nur irgend einiger Nutzen davon zu hoffen ist? Da nun so viele
Tausende in Ansehung der Lehren der Religion in der traurigsten Verwirrung
leben, wer wollte leugnen, daß reiche Früchte zu hoffen sind, wodurch Alle, die
vom Geiste Christi regiert werden, angetrieben werden müssen, mit Hintansetzung
aller anderen Dinge, ohne Mühe und Kosten zu achten, mit allen Kräften nur darnach
zu ringen, daß die Lehre Christi, die Quelle aller Gerechtigkeit und Wohlfahrt,
sorgfältig erforscht, von allen Irrthümern gereinigt, und in ihrer natürlichen
Gestalt Allen, denen die Gottseligkeit und die echte Gottesverehrung am Herzen
liegt, vorgetragen werde, wodurch ein heiliger und ewig fester Friede und eine
wahre, allgemeine Beruhigung wiederhergestellt und begründet werde, nachdem die
Schafe Christi, für die er sein Blut vergossen hat, nur gar zu sehr beunruhigt
sind? Dieser Friede kann aber, wie gesagt, auf keine andere Art
wiederhergestellt und begründet werden bei denen, die überzeugt sind, daß sie
in allen anderen Dingen nachgeben, aber in der Religion so fest an Gottes Wort
halten und sich darauf stützen müssen, so daß, wenn sie tausend Seelen hätten,
sie eher bereit sein würden, dieselben auf die Schlachtbank zu liefern, als nur
Ein Jota oder das kleinste Pünktchen von dem aufzugeben, wovon sie glauben, daß
es ein Gebot Gottes sei. Da nun eine einzige Seele mehr werth ist, als die
ganze Welt, was geziemt sich dann zum Heil so vieler Tausende zu thun?
Denn da uns eine so große
Hoffnung einladet, sowohl, weil die, welche bei Deiner geheiligten Majestät des
Irrthums bezüchtigt werden, um nichts Anderes bitten, als um Belehrung, und da
sie sich der heiligen Schrift, die zur Widerlegung jedes Irrthums völlig
ausreicht, ganz unterwerfen, als auch, weil Christus, unser Erlöser, aufs
unzweideutigste verheißen hat, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt
wären, wolle er mitten unter ihnen sein, und ihnen Alles gewähren, worüber sie
unter einander würden eins geworden sein; so erwähnen wir dieß hier,
Gottseligster Kaiser, aus keiner anderen Ursache, als um Deiner geheiligten
Majestät zu gehorchen, da es Dein Wille war, daß auch wir unsre Meinung darlegen
sollten, wie die Religion gereinigt werden könne. Denn wir leben sonst der
Hoffnung, daß Deine geheiligte Majestät selbst schon längst erkannt und
eingesehen hat, wie die Noth dazu treibt, was für ein Gewinn dazu reizt, und
wie entsprechend der so gepriesenen Frömmigkeit und Gnade Deiner geheiligten
Majestät es ist, daß alle Männer von erprobter Gelehrsamkeit und Gottesfurcht
zusammenberufen werden, um nach der heiligen Schrift zu beurtheilen, was von
den Lehren, über welche jetzt gestritten wird, zu halten sei, damit dieses
Allen, die man für im Irrthum befangen hält, von tüchtigen Dienern Christi mit
aller Sanftmuth und Treue erklärt werde.
Es ist aber auch dabei zu
befürchten, daß es an solchen nicht mangeln werde, die Deine geheiligte
Majestät auf andere Gedanken zu bringen versuchen; diesen haben wir gleichsam
vor Deiner geheiligten Majestät hiermit antworten wollen.
Dieß und Alles Andere, was
wir hier auseinandergesetzt und bekannt haben, nur in der Absicht, die Ehre
Jesu Christi, unsres Gottes, nach unsrem Vermögen zu vertheidigen, und Deiner
geheiligten Majestät den gebührenden Gehorsam zu beweisen, wolle Deine
geheiligte Majestät nach Deiner hochgepriesenen Gnade huldreich aufnehmen und
auslegen, und uns als Leute zu betrachten geruhen, die nicht minder als die
Vorfahren Dir in tiefster Unterthänigkeit die Treue und Ergebenheit zu bewähren
bereit sind, auch wo es erlaubt ist, Gut und Leben zu opfern.
Der König der Könige, Jesus
Christus, verleihe Deiner geheiligten Majestät, daß Du dieß und alles Andere zu
seiner Ehre vollbringest, er erhalte Dich in Kraft und Wohlergehen lange zum
Besten der gesammten Christenheit, und kröne Dich mit Segen. Amen.
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