Die Idee der Reformation
fasste früh Fuß in Straßburg. Der erste evangelische Prediger war 1521 der
Priester am Straßburger Münster Matthäus Zell.
1524 übernahm der Rat die Oberaufsicht über die Kirche. Obwohl seine Mitglieder
zum großen Teil nicht selbst evangelisch waren, billigte er die evangelische
Predigt und erlaubte auch zeitweise die Ansiedlung von andersorts Verfolgter
wie Hans Denck,
Kaspar Schwenckfeld und verschiedene Täufergruppen.
Am 20. Februar 1529 schaffte der Rat der Stadt die Heilige Messe
ab. Auf dem Reichstag zu Augsburg 1530 legte Straßburg
ebenfalls ein Bekenntnis zur Reformation ab. Straßburg schloss sich dabei aber
zunächst nicht den lutherischen „Protestanten“ der Confessio Augustana an, sondern legte mit Memmingen,
Konstanz
und Lindau ein eigenes, von Martin Bucer
und Wolfgang Capito verfasstes Bekenntnis, die nach
den vier Städten sogenannte Confessio Tetrapolitana, ab. 1531 nahmen
Vertreter der Stadt am Konvent in Schmalkalden teil und später wurde
Straßburg Mitglied des Schmalkaldischen Bundes zur Verteidigung der
evangelischen Reichsstände gegen Kaiser Karl V.
Die zwischen Martin Luther und ebenfalls Bucer ausgehandelte Wittenberger Konkordie von 1536 sorgte für
eine festere theologische und politische Anbindung an das Luthertum. Mitglieder abweichender
theologischer Richtungen wurden jedoch trotzdem geduldet, solange sie den
sozialen Frieden der Stadt nicht gefährdeten. So fanden die Hugenotten
hier Zuflucht, und auch Johannes Calvin (1509–1564) hielt sich in
Straßburg auf, wo Sebastian Castellio seine Bekanntschaft machte.
Melchior Hofmann dagegen wurde 1531 ausgewiesen
und nach seiner Rückkehr 1533 verhaftet.
Das Augsburger Interim zwang den Rat, dem 1524
verdrängten Bischof wieder einige Kirchen zu übergeben, und drängte Bucer zur
Emigration nach England. Obwohl der Besuch der Messe von der Bevölkerung
verweigert wurde, wurde sie erst 1559 wieder abgeschafft. Unter dem Einfluss
von Johannes Pappus erlangte die lutherische Lehre
(in Abgrenzung von der reformierten) alleinige Geltung. 1598
verpflichtete sich Straßburg in einer neuen Kirchenordnung auch auf die Konkordienformel.
Im Straßburger Kapitelstreit 1583 bis 1604
konnte sich jedoch die katholische Partei durchsetzen, und das Gebiet des Fürstbistums Straßburg, d. h. ein großer
Teil des Straßburger Umlands, blieb katholisch.
Nach der Erfindung des Buchdrucks in Europa durch Johannes Gutenberg wurde Straßburg schnell zu
einem bedeutenden Zentrum der Bücherherstellung. Die Straßburger Drucker
leisteten einen bedeutenden Beitrag zur Verbreitung der Reformation,
denn dank der weitreichenden religiösen Toleranz der Stadt konnten hier schon
früh Schriften von Martin Luther und anderen Reformatoren veröffentlicht werden.
Ein Drittel der im 16. Jahrhundert gedruckten Schriften waren Bibeln oder
Ausschnitte daraus. Im Jahr 1605 gab Johann Carolus
hier das Nachrichtenblatt Relation aller Fürnemmen und gedenckwürdigen
Historien heraus, das als erste gedruckte Zeitung der Welt gilt.
Die lutherische Thomaskirche (Église Saint-Thomas)
ist eine der kulturgeschichtlich und architektonisch bedeutendsten Kirchen Straßburgs.
Seitdem das Straßburger Münster 1681 nach der Besetzung
Straßburgs durch die Franzosen im Rahmen der Reunionspolitik
König Ludwigs XIV.
den Katholiken zurückgegeben werden musste, ist die Thomaskirche die
lutherische Hauptkirche der gesamten Region, der Protestantischen
Kirche Augsburgischen Bekenntnisses von Elsass und Lothringen. Die
Kirche ist auch für ihre Orgel
von Johann Andreas Silbermann aus dem Jahr
1741 berühmt. 1524 wurde die Kirche dem lutherischen Glauben zugewiesen (Martin Bucer
diente hier als Pastor
), diesen Status konnte sie trotz der Annexion des Elsass durch das katholische
Frankreich behaupten. Heute noch verwaltet sie mehrere Grund- und Hauptschulen
(École Saint-Thomas, Foyer Jean Sturm...)
sowie den im angrenzenden Barockgebäude
untergebrachten Séminaire protestant. Die Thomaskirche spielte eine
entscheidende Rolle in der älteren liturgischen Bewegung als der Ort, an
dem Friedrich Spitta ab 1888 neue
Gottesdienstformen erprobte und den Akademischen Kirchenchor begründete.
Ab 1893 kam Julius Smend als regelmäßiger Prediger hinzu. 1894–1899 wurde
hier das Gesangbuch für Elsaß-Lothringen entwickelt. Am 7. Mai 2006
wurde in der Thomaskirche die Gründung der Union
Protestantischer Kirchen von Elsass und Lothringen zelebriert.
Die protestantische Paulskirche (Église
Saint-Paul) ist ein neugotischer Sakralbau in Straßburg
im Stadtviertel Neustadt, dem sogenannten "deutschen Viertel". Die
Kirche ist aufgrund ihrer spektakulären Lage an der südlichen Spitze der
nördlichen Straßburger Ill-Insel St. Helena inmitten der breitesten Stelle des
Flusses eines der meistfotografierten Motive der Stadt überhaupt. Die Kirche
wurde von 1892 bis 1897 vom Architekten Louis Muller (1842–1898)
als protestantische Garnisonkirche errichtet. Während sich die Fassade von den
zwei 76 Meter hohen Türmen und der Farbauswahl des verwendeten Steins her an
der Marburger Elisabethkirche orientiert,
entspricht die allgemeine Anlage (große Breite, relativ geringe Länge,
insgesamt 19[!] Eingänge) den Bedürfnissen eines von Militärs aller
Rangordnungen besuchten Gottesdienstes. Das Langhaus
(Gewölbehöhe:
20 m) sollte ursprünglich vier Joche zählen und rund fünf Meter länger sein,
doch aufgrund von unvorhergesehenen technischen Schwierigkeiten, die bei der
Errichtung der Fundamente entstanden waren und die Kosten in die Höhe
getrieben hatten, wurde der als Lateinisches Kreuz geplante Bau zu einem Griechischen Kreuz. 1919, mit der Rückkehr des
Elsasses an Frankreich, wurde das Gebäude einer zivilen Gemeinde der
Evangelisch-reformierten Kirche von Elsass und Lothringen (EPRAL) übertragen. Die
Kirche wurde 1944 durch englische und amerikanische Bomben und am 11. August
1958 durch einen Hagelsturm
beschädigt.
Die Église Saint-Pierre-le-Vieux ist ein
Kirchenkomplex in Straßburg, der aus einer katholischen und einer
protestantischen Kirche besteht. Die freie Reichstadt Straßburg spielte in der
Reformation eine wichtige Rolle und brachte mehrere evangelische Vordenker wie Matthäus Zell
und Martin Bucer
hervor. 1529 wurden sämtliche Kirchen, darunter das Münster und
Saint-Pierre-le-Vieux, protestantisch. Nachdem Straßburg 1681 unter Ludwig XIV.
französisch wurde, gewann der in Frankreich dominierende Katholizismus an
Bedeutung. Man suchte bei der Nutzung der Sakralbauten einen Kompromiss: Bei
Saint-Pierre-le-Vieux bestand dieser darin, dass sich beide Konfessionen die Kirche
teilen. Durch eine 1,50m dicke Mauer trennte man Chor (katholischer Teil) vom
Langhaus (evangelischer Bereich). Der evangelische Teil wurde seit der Teilung
baulich nur wenig verändert: Das Kirchenschiff und der Turm stammen aus dem 14.
Jahrhundert. Bemerkenswert sind der Lettner, der um 1500 entstand, und ein
Relief von 1520, auf dem Hans Wyditz St. Anna dargestellt. Zur Ausstattung
zählt auch die historische Orgel,
die 1898 von dem Orgelbauer Eberhard Friedrich Walcker () erbaut
wurde. Das Orgelhäuse stammt noch von einer Orgel von Andreas und Gottfried Silbermann aus dem Jahre 1709. Das
heutige Instrument hat 24 Register
auf zwei Manualen und Pedal. Seit 2012 wird die Kirche mehr als Gemeindesaal
genutzt. Gottesdienste finden nur noch bei besonderen Anlässen statt.
Straßburg war zur Zeit der Reformation eine deutsche Reichsstadt,
und ihr Rat war dem neuen evangelischen Glauben sehr zugeneigt. Heute sendet
die EKD von dort aus ein Signal nach ganz Europa.
"Straßburg wurde als eine der ersten Städte im Reich
protestantisch", sagt der Heidelberger Kirchenhistoriker Johannes Ehmann.
Prediger wie der Messpriester des Münsters, Matthias Zell
(1477-1548), begeisterten die Menschen für die neue Lehre Luthers.
Buchdrucker verbreiteten evangelische Abhandlungen und Streitschriften.
Theologen, allen voran Martin Bucer (1491-1551), trugen die Reformation in die
Stadtbürgerschaft hinein und sorgten für ihre Verbreitung im süddeutschen Raum.
Der neue evangelische Glaube führte auch dazu, dass das heute 1000
Jahre alte Straßburger Münster für mehr als 150 Jahre evangelisch war –
von 1524 bis 1681. Mit der Abschaffung der katholischen Messe wurden damals
Gemälde, Statuen, Reliquien, Kruzifixe und geweihte Kultobjekte aus den Kirchen
geholt und teilweise zerstört.
Zuflucht für Verfolgte
Abgesehen von diesem Bildersturm entwickelte sich in Straßburg
eine vermittelnde, gemäßigte Form der Reformation. Im Streit der beiden
Reformatoren Martin Luther und Ulrich Zwingli über die Bedeutung des Abendmahls
gingen die Straßburger Protestanten einen Mittelweg. Gemeinsam mit den Städten
Konstanz, Lindau und Memmingen formulierten sie ein eigenes Glaubensbekenntnis,
die "Confessio Tetrapolitana", und erstellten 1534 eine
eigene Kirchenordnung.
Auch für verfolgte Protestanten aus ganz Europa war Straßburg ein
Zufluchtsort, sagt Kirchenhistoriker Ehmann. Glaubensflüchtlinge aus Frankreich
wie der Reformator Johannes Calvin
wurden ebenso aufgenommen wie Vertreter radikaler evangelischer Bewegungen wie
die der Täufer. Die Straßburger Protestanten selbst wandten sich 1577 der
lutherischen Glaubenslehre zu.
Mal deutsch, mal französisch
Die wechselvolle Geschichte Elsass-Lothringens spielte für die
Entwicklung der Religion in dem Gebiet eine große Rolle: In der Neuzeit war
Elsass-Lothringen – je nach Kriegsausgang – mal Frankreich, mal
Deutschland zugeordnet. Infolge des Westfälischen Friedens von 1648 wurde das Gebiet französisch
(Straßburg: 1681). Doch als König Ludwig XIV. 1685 mit dem Edikt von
Fontainebleau die evangelische Konfession verbot, war das Elsass davon
ausgenommen. Die evangelischen Gemeinden durften bestehen bleiben und ihren Gauben
leben – wurden allerdings gezwungen, katholische Gläubige in ihren Kirchen
die Messe feiern zu lassen, sobald sieben katholische Familien in einem Ort
lebten.
In der Folgezeit prägten besonders der evangelische Pfarrer,
Pädagoge und Sozialreformer Jean-Frédéric
Oberlin (1740-1826) und der evangelische Theologe, Arzt, Organist
und Philosoph Albert Schweitzer (1875-1965) das protestantische Leben in
Straßburg.
Auch 1905 profitierten die Protestanten in Elsass-Lothringen von
ihrer Staatszugehörigkeit – diesmal zu Deutschland. In Frankreich trat die
Trennung von Staat und Kirche in Kraft, in Elsass-Lothringen nicht. Bis heute
haben die Kirchen dort eine Sonderstellung gegenüber denen im
"Innern" Frankreichs: Priester und Pastoren sind in Elsass-Lothringen
Staatsbeamte und in den Schulen gibt es Religionsunterricht.
Gottesdienst in Saint-Thomas
Die evangelischen Kirchen in Elsass-Lothringen (mit den heutigen
Départements Bas-Rhin, Haut-Rhin und Moselle) sind die Protestantische Kirche
Augsburgischen Bekenntnisses von Elsass und Lothringen (EPCAAL) und die
Reformierte Kirche von Elsass und Lothrigen (EPRAL). 2006 haben sie sich
zusammengeschlossen in der Union
Protstantischer Kirchen von Elsass und Lothringen (UEPAL). Nach
Angaben der UEPAL sind heute 17 Prozent der Einwohner Elsass-Lothringens
Protestanten, aber nur zwei Prozent in ganz Frankreich.
Genau in der Kirche, wo 2006 die Vereinigung der beiden
evangelischen Konfessionen in Elsass-Lothringen gefeiert wurde, soll an diesem
Samstag der Gottesdienst zur Eröffnung des neuen Themenjahres der Lutherdekade stattfinden:
In der Église
Saint-Thomas in der Rue Martin Luther. Saint-Thomas ist die größte
Kirche Straßburgs nach dem Münster, das sie 1681 als lutherische Hauptkirche
der Region ablöste.
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