Montag, 21. Dezember 2015

Die evangelische Schule am Karlsplatz

Evangelische Schule (4, Karlsplatz 14; Schule der evangelischen Gemeinden), erbaut 1860-1862 in Formen der italienischen Renaissance von Theophil Hansen. An der Hauptfront vier Evangelistenstatuen von Vinzenz Pilz. Durch die Nationalsozialisten wurde 1938 die bis dahin als Privatschule geführte Anstalt in eine öffentliche Volks- und Hauptschule umgewandelt, im Winter 1944 das Gebäude zu einer Kaserne umfunktioniert. Nach schwerer Kriegsbeschädigungen (1944/1945) von Friedrich Albrecht wiederhergestellt (Baubeginn 1951) und am 5. Juni 1962 wieder ihrer ursprünglichen Bestimmung zugeführt.
 
Das Gebäude selbst ist das zweitälteste auf der Ringstrasse errichtete Haus (älter ist nur mehr das Gebäude der Wiener Kaufmannschaft). Interessanterweise wurde in der Evangelischen Volks- und Haupt(jetzt Mittel)schule am 1. November 1874 die erste Fachschule für Buchdrucker- und Schriftgießerlehrlinge gegründet. Der Unterricht, von 5 Prinzipalen geleitet, beginnt einen Tag später. Die Schule soll nach meiner Recherche nach bis mindestens 1881 (Gründung einer eigenen fünfjährigen Lehrlingsschule im Styria Verlag) bzw. sogar 1888 (Gründung der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt) dort bestanden haben. Die Schule selber feierte am 8. Juni 2012 ihren 150. Geburtstag. Heute sind dort rund 300 Volksschüler, 200 Mittelschüler ei Hort und eine Musikschule untergebracht. Die evangelische Schule ist eine der ersten Schulen, in der Buben und Mädchen (zunächst allerdings noch getrennt nach Geschlechtern) unterrichtet wurden. Gemischte Klassen gibt es seit 1980. Während des Krieges in den letzten Monaten als Volkssturmkaserne genutzt brannte die Schule vollständig aus und konnte erst 1962 wieder den Vollbetrieb aufnehmen.
 
 
Evangelische Schulen. Die Anfänge des evangelischen Schulwesens reichen in die Reformationszeit zurück. Ende des 16. Jahrhunderts gab es in Österreich über 1.000 evangelische Elementar-, Latein-, Landschafts- und Stadtschulen; das Grund- und Mittelschulwesen stand stark unter protestantantischem Einfluss. Um 1600 mussten im Zuge der Gegenreformation aufgrund kaiserlicher Dekrete und Verordnungen sämtliche Evangelischen Schulen geschlossen werden. Als in Wien aufgrund des Toleranzpatents vom 13. Oktober 1781 die Gläubigen beider evangelischen Bekenntnisse ab 1783 in eigenen Bethäusern wieder Gottesdienste abhielten, wurde auch der Wunsch nach einer eigenen protestantischen Schule laut. Ein Legat des 1791 verstorbenen Kaufmanns Himly (Vorsteher der evangelischen Gemeinde Helvetisches Bekenntnis) in Höhe von 2.000 Gulden schuf auch die materielle Basis für einen Schulfonds. Am 22. November 1793 wurde von beiden Gemeinden eine "Schuldeputation" eingesetzt, welche die Errichtung einer gemeinsamen Schule vorantreiben sollte (siehe auch Karl Wilhelm Hilchenbach); sie wurde am 10. Juni 1794 von Superintendent Johann Georg Fock (1783-1796) eröffnet, allerdings fand der Unterricht (in Ermangelung eines eigenen Schulgebäudes) in den beiden Pfarrhäusern statt.
 
Der große Andrang machte 1802 und 1822 Erweiterungen erforderlich (1826 über 400 Schüler). 1828 wurden in einem Privathaus in Fünfhaus, danach im Haus Neubau 245 Filialschulen eingerichtet (1849/1850 Übersiedlung ins Kirchengebäude in Gumpendorf). 1858 beschlossen die beiden Gemeinden einen Neubau (Evangelische Schule). 1867/1868 gab es insgesamt 17 Klassen (am Karlsplatz sechs Hauptschul- und sieben Realschulklassen [drei für Knaben, vier für Mädchen], in Gumpendorf vier Klassen), 1869 erfolgte eine Neuorganisation. 1874/1875 wurde die Gumpendorfer Schule selbständig; sie bezog 1883 das Schulgebäude 6, Gumpendorfer Straße 129. Am 16. September 1906 wurde die Lutherschule in Währing eröffnet. 1938 kam es zu einem gewaltsamen Ende des Privatschulwesens (Evangelische Schule). Am 9. September 1946 wurde im ehemaligen evangelischen Waisenhaus (5, Hamburgerstraße) der Schulbetrieb wieder aufgenommen; 1947 nahm die Währinger Schule wieder den Betrieb auf, 1959 wurde die Gumpendorfer Schule selbständig.
 








 

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