Freitag, 18. Dezember 2015

Philipp Melanchton, der "Lehrer Deutschlands"


Philipp Melanchthon

 

(eigentlich Philipp Schwartzerdt; * 16. Februar 1497 in Bretten; † 19. April 1560 in Wittenberg) war ein Philologe, Philosoph, Humanist, Theologe, Lehrbuchautor und neulateinischer Dichter. Er war als Reformator neben Martin Luther eine treibende Kraft der deutschen und europäischen kirchenpolitischen Reformation und wurde auch „Praeceptor Germaniae“ (Lehrer Deutschlands) genannt.

Philipp Melanchthons Vater Georg Schwartzerdt (um 1459–1508) stammte aus Heidelberg und war mit dem Amt des kurfürstlichen Rüstmeisters und Waffenschmiedes (Vorsteher der fürstlichen Waffenkammer) betraut. Seine Mutter Barbara Reuter (1476/1477–1529) war eine Tochter des Tuch- und Weinhändlers, Schultheißen und Bürgermeisters von Bretten, Johann (Hans) Reuter († 1508), und seiner Frau Elisabeth geb. Reuchlin († 1518), die die Schwester des Humanisten Johannes Reuchlin war.

Vier Jahre nach der Eheschließung 1493, am 16. Februar 1497, wurde der jungen Familie der Stammhalter Philipp im Hause seiner Großeltern in der kurpfälzischen Stadt Bretten geboren und erhielt seinen Namen zu Ehren des Kurfürsten Philipp des Aufrichtigen von der Pfalz. Philipp hatte vier Geschwister: Anna (* 1499), Georg (* 1500/1501), Margarete (* 1506) und Barbara (* 1508). Von seiner Schwester Anna Grünbach, geb. Schwarzerdt, stammt der Arzt Robert Mayer ab.

Melanchthon wuchs in Brettheim auf, wie Bretten damals genannt wurde. Sein Großvater sorgte für eine gründliche Erziehung, vor allem durch Unterweisung in lateinischer Sprache durch Johannes Unger aus Pforzheim. So kam er schon frühzeitig mit durchreisenden Scholaren in Kontakt und konnte mit diesen diskutieren.

Im Landshuter Erbfolgekrieg gegen die Hessen war sein Vater mit der Betreuung der Geschütze betraut. Als er von einem vergifteten Brunnen trank, kehrte er als kranker Mann nach Hause zurück. Einzig seine tiefe Religiosität half ihm dieses Schicksal und das darauf folgende Siechtum zu ertragen. Mit dem Tod seines Großvaters am 17. Oktober und dem Tod seines Vaters am 27. Oktober 1508 sowie dessen bewegendem Abschied war Melanchthons Kindheit beendet. Als Elfjähriger wurde er nun gemeinsam mit seinem Bruder Georg nach Pforzheim gebracht; er wohnte dort bei Elisabeth (Els) Reuter, der Schwester Johannes Reuchlins, mit der er familiär verbunden war.

In Pforzheim besuchte er die Lateinschule, die durch den Rektor Georg Simler aus Wimpfen und Johannes Hildebrand aus Schwetzingen, die nebenbei auch Griechisch unterrichteten, hohes Ansehen und gewaltigen Zulauf hatte. Eine große Anzahl der aus dieser Schule hervorgegangenen Schüler, wie beispielsweise Simon Grynaeus und Kaspar Hedio, haben sich in ihrem späteren Leben – insbesondere als Reformatoren – einen Namen gemacht. Der Begabteste soll jedoch Melanchthon gewesen sein, der aufgrund seiner bereits in Bretten erworbenen Kenntnisse mühelos die Anforderungen der Lehranstalt bewältigen konnte.

Durch seine lateinische Versdichtung und seine Fortschritte in der griechischen Grammatik fiel er Johannes Reuchlin auf, der in Stuttgart lebte und in Tübingen als einer der obersten Richter des Schwäbischen Bundes tätig war. Als Kenner der altgriechischen Sprache förderte Reuchlin durch seine Texte und Übersetzungen die Kenntnisse des Griechischen in Deutschland. In der Folge sollte er Melanchthons größter Förderer werden. Die Lehre der griechischen Sprache wurde damals nur besonders begabten Schülern vermittelt. Reuchlin schenkte Melanchthon ein Exemplar der griechischen Grammatik von Konstantinos Laskaris und schrieb ihm eine Widmung hinein, die auf Deutsch übersetzt lautet:

„Diese griechische Grammatik hat zum Geschenk gemacht Johannes Reuchlin aus Pforzheim, Doktor der Rechte, dem Philipp Melanchthon aus Bretten, im Jahr 1509 an den Iden des März.“

Damit verlieh Reuchlin dem Philipp Schwartzerdt am 15. März 1509 den Humanistennamen Melanchthon, eine Gräzisierung des Geburtsnamens Schwartz – μέλας/μέλαινα/μέλαν (melas/melaina/melan) – und erdt – χθών (chthon).

Nach knapp einem Jahr konnte Melanchthon zwölfjährig im Oktober 1509 die Universität Heidelberg beziehen. In Heidelberg fand er im Hause des Theologieprofessors Pallas Spangel Unterkunft, wo auch Jakob Wimpheling gelegentlich abstieg. Bereits in Pforzheim hatte er von dessen Schriften zur Reform der Lehr- und Unterrichtsmethoden Kenntnis erhalten und machte ihn mit den Schriften des Erasmus von Rotterdam vertraut. 1510 veröffentlichte Melanchthon in Wimphelings Büchern seine ersten lateinischen Gedichte. Durch seine gründliche Vorbildung bewältigte Melanchthon das Studium in Heidelberg problemlos und erwarb zum frühestmöglichen Zeitpunkt am 18. Juni 1511 den untersten akademischen Grad eines baccalaureus artium.

Nach dem Tode von Spangel (1512) wechselte Melanchthon an die Universität Tübingen. Dort studierte er Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie (Quadrivium). Nebenher beschäftigte er sich mit Griechisch, Hebräisch und Latein. Er las antike Autoren sowie humanistische Dichter und machte Bekanntschaft mit neuen Lehrmethoden. So lernte er auch die Schriften von Rudolf Agricola zur Logik kennen und entnahm ihnen ein neues Verständnis der Dialektik. Zusammen mit Franciscus Irenicus gehörte er dort zu den Neckargenossen.

Als Reuchlin durch ein Gutachten über das hebräische Schrifttum in einen Prozess verwickelt wurde, setzte Melanchthon sich für seinen Förderer publizistisch ein. Am 25. Januar 1514 schloss er sein Studium an der Artistenfakultät mit dem Magistertitel ab. Bereits in Tübingen war er als Tutor zweier Grafensöhne tätig gewesen und hatte als Griechischlehrer gewirkt. Somit war der Übergang vom Lernenden zum Lehrenden bei Melanchthon fließend erfolgt. In die Tübinger Zeit fallen auch Melanchthons eigene erste Publikationen, so 1516 eine Ausgabe des römischen Komödiendichters Terenz samt einer Einleitung über die Geschichte der antiken Komödie, des Weiteren 1518 eine griechische Grammatik, die bis 1544 neunzehn Auflagen erlebte. Und letztlich arbeitete er an einer Rhetorik, die 1519 in Wittenberg veröffentlicht wurde.

Nachdem Martin Luther 1517 seine 95 Thesen veröffentlicht hatte, fand am 26. April 1518 eine Heidelberger Disputation über die Grundlagen seiner Forderungen an der Universität statt, die bei Melanchthon entscheidenden Eindruck hinterließ. Er begab sich daher mit seinen Studienkollegen nach Wittenberg, um sich die Ansichten Luthers näher erläutern zu lassen. Fortan war Melanchthon gegenüber dem reformatorischen Gedankengut aufgeschlossen.

1518 stiftete Kurfürst Friedrich der Weise an seiner 1502 gegründeten und mehrfach reformierten Universität Wittenberg einen Lehrstuhl für Griechische Sprache. Zunächst versuchte man für den neu eingerichteten Lehrstuhl den damals bekanntesten Gräzisten Johannes Reuchlin zu gewinnen. Dieser lehnte jedoch aus Altersgründen ab und empfahl seinen Zögling Melanchthon für die Stelle. Da Melanchthon während seiner Tübinger Zeit bereits auf sich aufmerksam gemacht hatte, nahm man die Empfehlung Reuchlins an und trug Melanchthon die Aufgabe auf. Dieser verabschiedete sich von seinen bisherigen Wirkungsstätten und erreichte Wittenberg am 25. August 1518. Seine schmale und kleine äußere Gestalt von 1,50 Metern, verbunden mit einem kleinen Sprachfehler, beeindruckte die Wittenberger zunächst wenig. Als jedoch Melanchthon seine ausgefeilte und flammende Antrittsrede (Titel: „De corrigendis adolescentiae studiis“) am Samstag, dem 28. August, in der Schlosskirche von Wittenberg hielt, schlug der erste Eindruck völlig um.

Melanchthon sprach über eine Universitätsreform und malte zunächst ein düsteres Bild der Bildung vergangener Jahrhunderte. Er verfolgte den Leitgedanken, dass die Lektüre der antiken Schriftsteller aus den ursprünglichen Quellen durch humanistische Studien zum Quell neuen Lebens und Denkens werden könne. Damit traf er den Puls der Zeit im damaligen Wittenberg, und Martin Luther war sogleich fasziniert von dem kleinen „Graeculus“ (Griechlein). Diese Faszination beruhte auf Gegenseitigkeit und wurde in der Folge zu einer der wichtigsten Kooperationen der Reformation, die erst mit Luthers Tod endete.

Schnell erkannten auch die Studenten, welches Potential Melanchthon in sich barg; er war daher ein überaus beliebter Universitätslehrer. Er lehrte griechische Grammatik, las über antike Autoren, erklärte biblische Bücher und verband dies mit Wissensbildung auf zahlreichen Gebieten. Oft hatte er bis zu 400 Zuhörer, die vor allem seine präzise Sprache, die Fülle an Beispielen und die klare Gliederung seiner Ausführungen schätzten.

Durch den Einfluss Luthers erwarb Melanchthon den akademischen Grad eines baccalaureus biblicus am 19. September 1519. Dadurch war er befähigt, auch an der theologischen Fakultät Vorlesungen zu halten. Obwohl Melanchthon zeitlebens davon Gebrauch machte, bevorzugte er jedoch die philosophische Bildung, die man als Voraussetzung der theologischen Bildung verstand. Als man ihm 1525 eine besonders gut dotierte Professur schuf, die ihn von den Fakultätszwängen befreite, änderte sich hier auch nicht des Praeceptors Einstellung. Es ist hierin kein mangelndes Interesse gegenüber der Kirche zu sehen. Vielmehr fühlte sich Melanchthon aufgrund seiner körperlichen Schwäche und seines Sprachfehlers nicht zum Priester berufen, was auch die Tatsache erklärt, dass Melanchthon nie die christlichen Sakramente gereicht hat. Vielmehr war für ihn das geistige Potential der Theologie wichtig, und so stieg unter seiner Mitwirkung neben Luther die Universität Wittenberg zur bedeutendsten Universität in Europa auf.

Melanchthon mietete sich nach seiner Ankunft in Wittenberg ein schlichtes Haus, das er oft auch als Bude bezeichnete. Dort wohnte er mit seinem Gehilfen zusammen. Luther fürchtete jedoch um die Gesundheit Melanchthons, die durch die Männerwirtschaft offensichtlich beeinträchtigt wurde. Um Melanchthons Lebensumstände zu verbessern, aber auch um ihn in Wittenberg zu halten, suchte Luther für Melanchthon 1520 eine Frau. Von dieser Idee war Melanchthon jedoch nicht sehr begeistert. Der junge arbeitswütige Professor fürchtete um den Fortgang seiner Studien. Jedoch gelang es Luther, dass er endgültig am 27. November 1520 Katharina (* Oktober 1497; † 11. Oktober 1557) heiratete, die Tochter des Tuchhändlers und Bürgermeisters von Wittenberg Hans Krapp († 1515) und dessen Frau Katharina (geb. Münzer; † 3. Mai 1548). Luther, der selbst eine eigentlich ungewollte Ehe einging, wusste um die Wirkung eines Zusammenlebens, und so geschah es auch, dass sich bei Melanchthon und seiner Frau durch das allmähliche Kennenlernen eine Gemeinschaft bildete, in der sich die beiden schätzen lernten.

Obwohl seine Frau aus einem angesehenen Hause stammte und Melanchthon als Professor an der Universität gut verdiente, gab es im Hause Melanchthon nie einen größeren Wohlstand. Ständige Besuche von Universitätsangehörigen, die sich bei diskutierenden Tischrunden im Hause Melanchthons versammelten, junge Studenten, die Melanchthon in seiner „schola domestica“ als persönlicher Mentor unterrichtete und versorgte, schmälerten das finanzielle Budget des Haushalts.

Melanchthon erlangte durch sein Wirken in Wittenberg bald ein so hohes Ansehen, dass ihm Angebote anderer Universitäten in Deutschland und Europa unterbreitet wurden. Johann Friedrich I. (Sachsen) wollte jedoch den angesehenen Professor in Wittenberg halten und errichtete auf dem Grundstück seiner Bude 1536 ein standesgemäßes Haus, das heute als Melanchthonhaus in Wittenberg bekannt ist. Als die Familie 1537 in dieses Haus einzog, hatte das Ehepaar bereits die Kinder Anna (* 24. August 1522; † 27. Februar 1547), Philipp (* 21. Februar 1525; † 3. Oktober 1605 in Wittenberg), Georg (* 25. November 1527 in Wittenberg; † 1529) und Magdalena (* 19. Juli 1531; † 12. September 1576). Als Familienvorstand widmete er sich mit Hingabe seinen geliebten Kindern und die Sorge um die Kinder schweißte das Ehepaar Melanchthon zusammen. Als Vater litt er an schlaflosen Nächten, als sein zweiter Sohn Georg bereits nach zwei Jahren verstarb und als seine erstgeborene Tochter, die er selbst allseitig bildete, eine unglückliche Ehe mit Melanchthons einstigem Schüler Georg Sabinus, dem Gründungsrektor der Universität Königsberg, einging. Das Zusammenleben mit Melanchthon war jedoch nicht immer einfach. So konnte er, wenn es ihm gegen den Strich ging, recht jähzornig werden. Dies bekam auch sein Sohn Philipp zu spüren, als er sich heimlich mit der Leipzigerin Margaretha Kuffner verlobte, was der Vater nicht in einer Ehe enden ließ.

Dem stets Verantwortung für andere Menschen empfindenden Melanchthon bereiteten seine Pflichten als Hausvater und Ehemann Last und Sorge. Neben seiner ungebrochenen Zuversicht in Gottes Fürsorge und Barmherzigkeit half ihm seine fürsorgliche Ehefrau. Als sie am 11. Oktober 1557 verstarb und der langjährige Familienfreund Joachim Camerarius der Ältere dies Melanchthon, der in Worms beim letzten großen Religionsgespräch weilte, am 27. Oktober mitteilte, empfand er großen Verlust und sehnte sich danach, ihr bald folgen zu können.

Melanchthon war von zarter Statur und erweckte mit seiner leisen Stimme stets den Eindruck starker Gefährdung. Im krassen Gegensatz dazu stand seine Arbeitsleistung und Zähigkeit bei Verhandlungen. Die ständige Überbelastung blieb nicht ohne Folgen. Schon von Jugend an litt er unter Schlaflosigkeit und war zudem auf eine ausgewogene Schonkost angewiesen.

Im Frühsommer 1540 erkrankte er auf der Reise zum Hagenauer Religionsgespräch in Weimar schwer. Luther eilte zur Trostspende zu Melanchthon und fand ihn ohnmächtig, mit eingefallenem Gesicht und gebrochenen Augen. Jedoch konnte sich Melanchthon von diesem Schwächeanfall wieder erholen und setzte seine Arbeit weiter fort. Auf einer Reise nach Regensburg im März 1541 stürzte sein Reisewagen um und er erlitt schwere Verletzungen, die ihn eine gewisse Zeit beim Schreiben behinderten und das Erscheinen seiner Akten über die Verhandlungen beim Regensburger Reichstag verzögerten.

Von einer Reise nach Leipzig im Jahre 1560 kam er am 4. April erkältet zurück. Während der Nacht vom 7. zum 8. April bekam er Fieber, das mit kurzen Unterbrechungen immer wiederkehrte. Trotz der Betreuung durch seine Tochter Magdalena und seinen Schwiegersohn Dr. Caspar Peucer nahmen seine Kräfte immer mehr ab. Am 11. und 12. April 1560 hielt er letztmals Vorlesungen und Ansprachen. Am 14. April wollte er nochmals eine Vorlesung halten, doch wurde diese ohne sein Zutun abgesagt. Am 19. April versammelten sich Tochter und Schwiegersohn mit dem Hausfreund Joachim Camerarius um Melanchthon in seinem Haus, um ihm das letzte Geleit zu geben. Vor dem Hause beteten Studenten für ihren Professor. Gegen 19 Uhr wurden Hände und Füße kalt und sein Puls setzte aus.

Nach einer Gedächtnisrede des Medizinprofessors Veit Winsheim fand er an der Seite seines einstigen Mitstreiters Martin Luther in der Schlosskirche Wittenberg seine letzte Ruhestätte.
Autographen Melanchthons werden unter anderem in der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek in Hannover verwahrt.





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