Philipp Melanchthon
(eigentlich Philipp Schwartzerdt; * 16. Februar
1497 in Bretten;
† 19. April
1560 in Wittenberg) war ein Philologe,
Philosoph,
Humanist,
Theologe,
Lehrbuchautor
und neulateinischer Dichter. Er war als Reformator
neben Martin Luther eine treibende Kraft der deutschen und
europäischen kirchenpolitischen Reformation
und wurde auch „Praeceptor Germaniae“ (Lehrer Deutschlands) genannt.
Philipp Melanchthons Vater Georg Schwartzerdt
(um 1459–1508) stammte aus Heidelberg und war mit dem Amt des kurfürstlichen Rüstmeisters
und Waffenschmiedes (Vorsteher der fürstlichen Waffenkammer) betraut. Seine
Mutter Barbara Reuter (1476/1477–1529) war eine Tochter des Tuch- und
Weinhändlers, Schultheißen und Bürgermeisters von Bretten, Johann (Hans) Reuter
(† 1508), und seiner Frau Elisabeth geb. Reuchlin († 1518), die die Schwester
des Humanisten Johannes Reuchlin
war.
Vier Jahre nach der Eheschließung 1493, am
16. Februar 1497, wurde der jungen Familie der Stammhalter Philipp im Hause
seiner Großeltern in der kurpfälzischen Stadt Bretten geboren und erhielt
seinen Namen zu Ehren des Kurfürsten Philipp des
Aufrichtigen von der Pfalz. Philipp hatte vier Geschwister: Anna (*
1499), Georg (* 1500/1501), Margarete (* 1506) und Barbara (* 1508). Von seiner
Schwester Anna Grünbach, geb. Schwarzerdt, stammt der Arzt Robert Mayer
ab.
Melanchthon wuchs in Brettheim auf, wie
Bretten damals genannt wurde. Sein Großvater sorgte für eine gründliche
Erziehung, vor allem durch Unterweisung in lateinischer Sprache durch Johannes Unger
aus Pforzheim.
So kam er schon frühzeitig mit durchreisenden Scholaren
in Kontakt und konnte mit diesen diskutieren.
Im Landshuter Erbfolgekrieg gegen die Hessen war
sein Vater mit der Betreuung der Geschütze betraut. Als er von einem vergifteten
Brunnen trank, kehrte er als kranker Mann nach Hause zurück. Einzig
seine tiefe Religiosität half ihm dieses Schicksal und das darauf folgende
Siechtum zu ertragen. Mit dem Tod seines Großvaters am 17. Oktober und dem Tod
seines Vaters am 27. Oktober 1508 sowie dessen bewegendem Abschied war
Melanchthons Kindheit beendet. Als Elfjähriger wurde er nun gemeinsam mit
seinem Bruder Georg nach Pforzheim gebracht; er wohnte dort bei Elisabeth (Els) Reuter,
der Schwester Johannes Reuchlins, mit der er familiär verbunden war.
In Pforzheim besuchte er die Lateinschule,
die durch den Rektor Georg Simler aus Wimpfen
und Johannes Hildebrand aus Schwetzingen,
die nebenbei auch Griechisch unterrichteten, hohes Ansehen und gewaltigen
Zulauf hatte. Eine große Anzahl der aus dieser Schule hervorgegangenen Schüler,
wie beispielsweise Simon Grynaeus und Kaspar Hedio,
haben sich in ihrem späteren Leben – insbesondere als Reformatoren – einen
Namen gemacht. Der Begabteste soll jedoch Melanchthon gewesen sein, der
aufgrund seiner bereits in Bretten erworbenen Kenntnisse mühelos die
Anforderungen der Lehranstalt bewältigen konnte.
Durch seine lateinische Versdichtung und
seine Fortschritte in der griechischen Grammatik fiel er Johannes Reuchlin
auf, der in Stuttgart lebte und in Tübingen als einer der obersten Richter des Schwäbischen Bundes tätig war. Als Kenner der altgriechischen Sprache förderte Reuchlin durch
seine Texte und Übersetzungen die Kenntnisse des Griechischen in Deutschland.
In der Folge sollte er Melanchthons größter Förderer werden. Die Lehre der
griechischen Sprache wurde damals nur besonders begabten Schülern vermittelt.
Reuchlin schenkte Melanchthon ein Exemplar der griechischen Grammatik von Konstantinos Laskaris und schrieb ihm eine
Widmung hinein, die auf Deutsch übersetzt lautet:
„Diese
griechische Grammatik hat zum Geschenk gemacht Johannes Reuchlin aus Pforzheim,
Doktor der Rechte, dem Philipp Melanchthon aus Bretten, im Jahr 1509 an den Iden des März.“
Damit verlieh Reuchlin dem
Philipp Schwartzerdt am 15. März 1509 den Humanistennamen Melanchthon, eine Gräzisierung
des Geburtsnamens Schwartz – μέλας/μέλαινα/μέλαν
(melas/melaina/melan) – und erdt – χθών (chthon).
Nach
knapp einem Jahr konnte Melanchthon zwölfjährig im Oktober 1509 die Universität Heidelberg beziehen. In Heidelberg
fand er im Hause des Theologieprofessors Pallas Spangel
Unterkunft, wo auch Jakob Wimpheling gelegentlich abstieg. Bereits
in Pforzheim hatte er von dessen Schriften zur Reform der Lehr- und
Unterrichtsmethoden Kenntnis erhalten und machte ihn mit den Schriften des Erasmus von Rotterdam vertraut. 1510
veröffentlichte Melanchthon in Wimphelings Büchern seine ersten lateinischen
Gedichte. Durch seine gründliche Vorbildung bewältigte Melanchthon das Studium
in Heidelberg problemlos und erwarb zum frühestmöglichen Zeitpunkt am 18. Juni
1511 den untersten akademischen Grad eines baccalaureus
artium.
Nach dem Tode von Spangel (1512) wechselte Melanchthon an die Universität Tübingen. Dort studierte er
Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie (Quadrivium).
Nebenher beschäftigte er sich mit Griechisch, Hebräisch und Latein. Er las
antike Autoren sowie humanistische Dichter und machte Bekanntschaft mit neuen
Lehrmethoden. So lernte er auch die Schriften von Rudolf Agricola zur Logik kennen und
entnahm ihnen ein neues Verständnis der Dialektik.
Zusammen mit Franciscus Irenicus gehörte er dort zu den
Neckargenossen.
Als Reuchlin durch ein Gutachten über das
hebräische Schrifttum in einen Prozess verwickelt wurde, setzte Melanchthon
sich für seinen Förderer publizistisch ein. Am 25. Januar 1514 schloss er sein
Studium an der Artistenfakultät mit dem Magistertitel
ab. Bereits in Tübingen war er als Tutor zweier Grafensöhne
tätig gewesen und hatte als Griechischlehrer gewirkt. Somit war der Übergang
vom Lernenden zum Lehrenden bei Melanchthon fließend erfolgt. In die Tübinger
Zeit fallen auch Melanchthons eigene erste Publikationen, so 1516 eine Ausgabe
des römischen Komödiendichters Terenz
samt einer Einleitung über die Geschichte der antiken Komödie, des Weiteren
1518 eine griechische Grammatik, die bis 1544 neunzehn Auflagen erlebte. Und
letztlich arbeitete er an einer Rhetorik, die 1519 in Wittenberg veröffentlicht
wurde.
Nachdem Martin Luther
1517 seine 95 Thesen
veröffentlicht hatte, fand am 26. April 1518 eine Heidelberger Disputation über die Grundlagen
seiner Forderungen an der Universität statt, die bei Melanchthon entscheidenden
Eindruck hinterließ. Er begab sich daher mit seinen Studienkollegen nach Wittenberg, um sich die Ansichten Luthers näher
erläutern zu lassen. Fortan war Melanchthon gegenüber dem reformatorischen
Gedankengut aufgeschlossen.
1518 stiftete Kurfürst Friedrich der Weise an seiner 1502 gegründeten
und mehrfach reformierten Universität Wittenberg einen Lehrstuhl für Griechische
Sprache. Zunächst versuchte man für den neu eingerichteten Lehrstuhl den damals
bekanntesten Gräzisten Johannes Reuchlin
zu gewinnen. Dieser lehnte jedoch aus Altersgründen ab und empfahl seinen
Zögling Melanchthon für die Stelle. Da Melanchthon während seiner Tübinger Zeit
bereits auf sich aufmerksam gemacht hatte, nahm man die Empfehlung Reuchlins an
und trug Melanchthon die Aufgabe auf. Dieser verabschiedete sich von seinen
bisherigen Wirkungsstätten und erreichte Wittenberg am 25. August 1518. Seine
schmale und kleine äußere Gestalt von 1,50 Metern, verbunden mit einem kleinen
Sprachfehler, beeindruckte die Wittenberger zunächst wenig. Als jedoch
Melanchthon seine ausgefeilte und flammende Antrittsrede (Titel: „De
corrigendis adolescentiae studiis“) am Samstag, dem 28. August, in der Schlosskirche von Wittenberg hielt, schlug der
erste Eindruck völlig um.
Melanchthon sprach über eine
Universitätsreform und malte zunächst ein düsteres Bild der Bildung vergangener
Jahrhunderte. Er verfolgte den Leitgedanken, dass die Lektüre der antiken
Schriftsteller aus den ursprünglichen Quellen durch humanistische Studien zum
Quell neuen Lebens und Denkens werden könne. Damit traf er den Puls der Zeit im
damaligen Wittenberg, und Martin Luther war sogleich fasziniert von dem kleinen
„Graeculus“ (Griechlein). Diese Faszination beruhte auf Gegenseitigkeit und
wurde in der Folge zu einer der wichtigsten Kooperationen der Reformation,
die erst mit Luthers Tod endete.
Schnell erkannten auch die Studenten, welches
Potential Melanchthon in sich barg; er war daher ein überaus beliebter
Universitätslehrer. Er lehrte griechische Grammatik, las über antike Autoren,
erklärte biblische Bücher und verband dies mit Wissensbildung auf zahlreichen
Gebieten. Oft hatte er bis zu 400 Zuhörer, die vor allem seine präzise Sprache,
die Fülle an Beispielen und die klare Gliederung seiner Ausführungen schätzten.
Durch den Einfluss Luthers erwarb Melanchthon
den akademischen Grad eines baccalaureus biblicus am 19. September 1519.
Dadurch war er befähigt, auch an der theologischen Fakultät Vorlesungen zu
halten. Obwohl Melanchthon zeitlebens davon Gebrauch machte, bevorzugte er
jedoch die philosophische Bildung, die man als Voraussetzung der theologischen
Bildung verstand. Als man ihm 1525 eine besonders gut dotierte Professur schuf,
die ihn von den Fakultätszwängen befreite, änderte sich hier auch nicht des Praeceptors
Einstellung. Es ist hierin kein mangelndes Interesse gegenüber der Kirche zu
sehen. Vielmehr fühlte sich Melanchthon aufgrund seiner körperlichen Schwäche
und seines Sprachfehlers nicht zum Priester berufen, was auch die Tatsache
erklärt, dass Melanchthon nie die christlichen Sakramente gereicht hat.
Vielmehr war für ihn das geistige Potential der Theologie wichtig, und so stieg
unter seiner Mitwirkung neben Luther die Universität
Wittenberg zur bedeutendsten Universität in Europa auf.
Melanchthon mietete sich nach seiner Ankunft in Wittenberg ein schlichtes Haus, das er oft auch
als Bude bezeichnete. Dort wohnte er mit seinem Gehilfen zusammen. Luther
fürchtete jedoch um die Gesundheit Melanchthons, die durch die Männerwirtschaft
offensichtlich beeinträchtigt wurde. Um Melanchthons Lebensumstände zu
verbessern, aber auch um ihn in Wittenberg zu halten, suchte Luther für
Melanchthon 1520 eine Frau. Von dieser Idee war Melanchthon jedoch nicht sehr
begeistert. Der junge arbeitswütige Professor fürchtete um den Fortgang seiner
Studien. Jedoch gelang es Luther, dass er endgültig am 27. November 1520
Katharina (* Oktober 1497; † 11. Oktober 1557) heiratete, die Tochter des
Tuchhändlers und Bürgermeisters von Wittenberg Hans Krapp († 1515) und dessen
Frau Katharina (geb. Münzer; † 3. Mai 1548). Luther, der selbst eine eigentlich
ungewollte Ehe einging, wusste um die Wirkung eines Zusammenlebens, und so
geschah es auch, dass sich bei Melanchthon und seiner Frau durch das
allmähliche Kennenlernen eine Gemeinschaft bildete, in der sich die beiden
schätzen lernten.
Obwohl seine Frau aus einem angesehenen Hause
stammte und Melanchthon als Professor an der Universität gut verdiente, gab es
im Hause Melanchthon nie einen größeren Wohlstand. Ständige Besuche von
Universitätsangehörigen, die sich bei diskutierenden Tischrunden im Hause
Melanchthons versammelten, junge Studenten, die Melanchthon in seiner „schola
domestica“ als persönlicher Mentor unterrichtete und versorgte, schmälerten das
finanzielle Budget des Haushalts.
Melanchthon erlangte durch sein Wirken in Wittenberg bald ein so hohes Ansehen,
dass ihm Angebote anderer Universitäten in Deutschland und Europa unterbreitet
wurden. Johann Friedrich I. (Sachsen) wollte
jedoch den angesehenen Professor in Wittenberg halten und errichtete auf dem
Grundstück seiner Bude 1536 ein standesgemäßes Haus, das heute als
Melanchthonhaus in Wittenberg bekannt ist. Als die Familie 1537 in dieses Haus
einzog, hatte das Ehepaar bereits die Kinder Anna (* 24. August 1522; † 27.
Februar 1547), Philipp (* 21. Februar 1525; † 3. Oktober 1605 in Wittenberg),
Georg (* 25. November 1527 in Wittenberg; † 1529) und Magdalena (* 19. Juli
1531; † 12. September 1576). Als Familienvorstand widmete er sich mit Hingabe
seinen geliebten Kindern und die Sorge um die Kinder schweißte das Ehepaar
Melanchthon zusammen. Als Vater litt er an schlaflosen Nächten, als sein
zweiter Sohn Georg bereits nach zwei Jahren verstarb und als seine erstgeborene
Tochter, die er selbst allseitig bildete, eine unglückliche Ehe mit
Melanchthons einstigem Schüler Georg Sabinus,
dem Gründungsrektor der Universität Königsberg, einging. Das
Zusammenleben mit Melanchthon war jedoch nicht immer einfach. So konnte er,
wenn es ihm gegen den Strich ging, recht jähzornig werden. Dies bekam auch sein
Sohn Philipp zu spüren, als er sich heimlich mit der Leipzigerin Margaretha
Kuffner verlobte, was der Vater nicht in einer Ehe enden ließ.
Dem stets Verantwortung für andere Menschen
empfindenden Melanchthon bereiteten seine Pflichten als Hausvater und Ehemann
Last und Sorge. Neben seiner ungebrochenen Zuversicht in Gottes Fürsorge und
Barmherzigkeit half ihm seine fürsorgliche Ehefrau. Als sie am 11. Oktober 1557
verstarb und der langjährige Familienfreund Joachim Camerarius der Ältere dies
Melanchthon, der in Worms beim letzten großen Religionsgespräch weilte, am 27.
Oktober mitteilte, empfand er großen Verlust und sehnte sich danach, ihr bald
folgen zu können.
Melanchthon war von zarter Statur und
erweckte mit seiner leisen Stimme stets den Eindruck starker Gefährdung. Im
krassen Gegensatz dazu stand seine Arbeitsleistung und Zähigkeit bei
Verhandlungen. Die ständige Überbelastung blieb nicht ohne Folgen. Schon von
Jugend an litt er unter Schlaflosigkeit und war zudem auf eine ausgewogene
Schonkost angewiesen.
Im Frühsommer 1540 erkrankte er auf der Reise
zum Hagenauer Religionsgespräch in Weimar
schwer. Luther eilte zur Trostspende zu Melanchthon und fand ihn ohnmächtig,
mit eingefallenem Gesicht und gebrochenen Augen. Jedoch konnte sich Melanchthon
von diesem Schwächeanfall wieder erholen und setzte seine Arbeit weiter fort.
Auf einer Reise nach Regensburg im März 1541 stürzte sein Reisewagen um und er
erlitt schwere Verletzungen, die ihn eine gewisse Zeit beim Schreiben
behinderten und das Erscheinen seiner Akten über die Verhandlungen beim
Regensburger Reichstag verzögerten.
Von einer Reise nach Leipzig im Jahre 1560
kam er am 4. April erkältet zurück. Während der Nacht vom 7. zum 8. April bekam
er Fieber, das mit kurzen Unterbrechungen immer wiederkehrte. Trotz der
Betreuung durch seine Tochter Magdalena und seinen Schwiegersohn Dr. Caspar Peucer
nahmen seine Kräfte immer mehr ab. Am 11. und 12. April 1560 hielt er letztmals
Vorlesungen und Ansprachen. Am 14. April wollte er nochmals eine Vorlesung
halten, doch wurde diese ohne sein Zutun abgesagt. Am 19. April versammelten
sich Tochter und Schwiegersohn mit dem Hausfreund Joachim Camerarius um Melanchthon in
seinem Haus, um ihm das letzte Geleit zu geben. Vor dem Hause
beteten Studenten für ihren Professor. Gegen 19 Uhr wurden Hände und Füße kalt
und sein Puls setzte aus.
Nach einer Gedächtnisrede des
Medizinprofessors Veit Winsheim fand er an der Seite seines einstigen
Mitstreiters Martin Luther in der Schlosskirche Wittenberg
seine letzte Ruhestätte.
Autographen Melanchthons werden unter anderem in der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek
in Hannover
verwahrt.
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