Donnerstag, 17. Dezember 2015

Evangelisch sein in Österreich

 Wien, 13. Oktober 1781: Durch die Unterzeichnung des Toleranzpatents durch Kaiser Josef II. wurde die evangelische Kirche offiziell anerkannt und wir durften unsere Religion frei ausüben.
 
Dieses Patent ist der grösste Meilenstein in der Geschichte der Evangelischen Gemeinden in Österreich.
 
Evangelisch bezeichneten sich Christen die nach den Lehren Martin Luthers und seiner Bibelübersetzung lebten und ihre Gottesdienste in dieser Liturgie feiern.
 
Der Begriff "Protestanten" (ein politischer Begriff) ging auf die Protestaktion der evangelischen Stände beim Reichstag am 29. April 1529  in Speyer zurück, als 14 protestantische Reichsstädte gegen die Ächtung Martin Luthers opponierten. Diese Reichsacht wurde acht Jahre zuvor, auf dem Reichstag in Worms (Wormser Edikt) ausgesprochen. Die Stände verlangten eine freie Religionsausübung sowie eine Anerkennung Luthers und seiner Lehren.
 
Die protestierenden Reichsstände im Einzelnen waren:
 

Protestierende Reichsstände

  1. Kurfürst Johann der Beständige von Sachsen
  2. Markgraf Georg von Brandenburg-Ansbach, der Fromme, auch der Bekenner genannt
    • Johann Förster, Kanzler der Herzöge Franz und Ernst von Braunschweig-Lüneburg
  3. Graf Wilhelm von Fürstenberg
  4. Freie und Reichsstadt Isny
  5. Freie und Reichsstadt Kempten
  6. Freie und Reichsstadt Konstanz
  7. Freie und Reichsstadt Lindau
  8. Freie und Reichsstadt Memmingen
  9. Freie und Reichsstadt Nördlingen
  10. Reichsstadt Nürnberg
  11. Freie und Reichsstadt Reutlingen
    • Bürgermeister Josua (Jos) Weiß
  12. Freie und Reichsstadt St. Gallen
  13. Freie und Reichsstadt Straßburg
    • Rat Jakob Sturm
    • Ammann Matthias P(f)arrer
  14. Reichsstadt Ulm
    • Bürgermeister Bernhard Besserer
  15. Reichsstadt Weißenburg
  16. Reichsstadt Windsheim
    • Bürgermeister Sebastian Hagelstein
 
Später, nach dem Augsburger Religionsfrieden wurde der Begriff "Protestanten" auch auf all jene Kirchen ausgeweitet, die sich der katholischen Doktrien widersetzten. Dazu gehören alle evangelischen Freikirchen, die reformierten Kirchen helvetischen Bekentnisses sowie als grösster Teil die Mitglieder der anglikanischen Kirche. Die einflussreichsten Reformatoren waren Martin Luther und Philipp Melanchthon (Evangelisch-lutherische Kirchen), Ulrich Zwingli, Johannes Calvin und John Knox (Reformierte Kirchen) sowie Thomas Cranmer und Martin Bucer (Anglikanische Kirche). Die führenden Theologen in der Frühzeit der mitgliederstärksten Freikirchen waren Konrad Grebel, Felix Manz und Menno Simons (Täufer/Mennoniten), Robert Browne und John Cotton (Kongregationalisten), Thomas Helwys und John Smyth (Baptisten), George Fox (Quäker) sowie John Wesley, Charles Wesley und George Whitefield (Methodisten).
 
Zurück zu den evangelischen Christen in Österreich: Bereits in den 1520er Jahren wurden in Wien und Breslau die Schriften Luthers, vor allem seine Bibel nachgedruckt und verbreitet. Viele ursprünglich katholische Priester wechselten zum evangelischen Glauben über und predigten fortan die Lehre Luthers. Doch es gab schon zu Beginn Gegenwind: so wurde der evangelische Christ Caspar Tauber, nachdem er eine Flugschrift verfasste am 17. September 1524 als Ketzer hingerichtet. Zuvor war er aufgefordert worden, von seiner Irrlehre abzufallen und sich selber der Ketzerei zu bekennen, er sollte zeitlebens ein schwarzes Kreuz zum Zeichen seiner Ketzerei tragen. Nachdem er dies abgelehnt hatte wurde er in Erdberg enthauptet. Der zweite namentlich in dieser Zeit bekannte evangelische Märtyrer war Martin  Hofmann, der 1549 in Kärnten hingerichtet wurde.
 
Diese beiden Namen stehen aber für eine Vielzahl von Toten, die für ihren Glauben hingerichtet oder anderweitig ermordet wurden, viele wurden auch aus ihren Häusern vertrieben. Dies passierte auch deswegen, weil die Habsburger das Erstarken des Protestantismus in direktem Zusammenspiel mit den Bauernkriegen sahen, die das Heilige Römische Reich Deutscher Nation überzogen.
 
Mit der Niederschlagung der Bauernaufstände 1626 hörte der kirchliche Protestantismus in Österreich praktisch zu bestehen auf, die protestantischen Adeligen wurden aufgefordert, wieder zum Katholizismus überzutreten oder mussten emigrieren. In den Städten und Ballungsräumen kam der evangelische Glaube zum Erliegen, lediglich in bäuerlichen Regionen sowie in Wien, wo evangelische Gottesdienste in den niederländischen, schwedischen und dänischen Gesandtschaftskapellen abgehalten wurden, lebte der Protestantismus weiter.
 
Erst mit dem Toleranzpatent änderte sich dies.
 
In Villach steht das Denkmal Kaiser Josefs II. der in seiner rechten Hand eine Abschrift des Toleranzpatents hält.


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